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Einführung: Training mit positiver Verstärkung

Don't Shoot the Dog von Karen Pryor ist ein Grundlagenwerk zur praktischen Anwendung von Verstärkerprinzipien aus der Verhaltenspsychologie. Es zeigt, wie Verhalten bei Tieren und Menschen zuverlässig, präzise und gewaltfrei aufgebaut oder verändert werden kann – ohne Zwang, Strafe oder Dominanz.

Die Autorin verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit jahrelanger Erfahrung aus dem Tiertraining (u. a. Delfine) und überträgt sie auf Alltag, Schule, Sport, Beruf und Beziehungen.

Ziel dieses Artikels

Diese Seite dokumentiert die zentralen Trainingsprinzipien aus dem Buch in strukturierter Form – zur Verwendung in Ausbildung, Beratung, Training oder Verhaltenstherapie.

Fokus:

  • Verhalten aufbauen (statt unterdrücken)
  • Verstärker gezielt und kontextsensitiv einsetzen
  • Alternativen zur Strafe erkennen und nutzen
  • Training als beziehungsstärkenden Dialog verstehen

Wichtige Konzepte aus dem Buch

  • Positive und negative Verstärkung
  • Shaping (Verhaltensaufbau in kleinen Schritten)
  • Reizkontrolle (Signalkontrolle, Timing)
  • Acht Methoden zum Abbau unerwünschten Verhaltens
  • Einsatz von Markersignalen (z. B. Clicker)
  • Verstärkerpläne (kontinuierlich, variabel)
  • Superstition & Nebenwirkungen von Bestrafung

Warum "Don’t Shoot the Dog"?

Der Titel ist provokativ gewählt. Kapitel 4 beschreibt acht Wege, unerwünschtes Verhalten zu stoppen – die erste (und drastischste) lautet: „Shoot the animal“ – sie funktioniert, ist aber ethisch inakzeptabel. Pryors Botschaft: Es gibt bessere, effektivere und gewaltfreie Alternativen – und dieses Buch zeigt, wie.

Zielgruppe

  • Hundetrainer*innen, Tierverhaltenstherapeut*innen
  • Pädagog*innen, Coaches, Therapeut*innen
  • Führungskräfte, Eltern, Sporttrainer
  • Menschen, die sich selbst oder andere bewusster „trainieren“ möchten

Kapitel 1 – Verstärkung: Besser als Belohnung

Dieses Kapitel klärt den Unterschied zwischen echter Verstärkung und herkömmlicher Belohnung. Pryor zeigt, dass positive Verstärkung nicht einfach „etwas Nettes geben“ bedeutet, sondern ein präzises, wirksames Mittel zur Verhaltensbeeinflussung ist.

Was ist ein Verstärker?

Ein Verstärker ist *jedes Ereignis*, das die Wahrscheinlichkeit eines Verhaltens erhöht, wenn es im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Verhalten auftritt.

Es gibt:

Zentrale Aussagen

  • Verhalten, das verstärkt wird, wird häufiger.
  • Verhalten, das nicht verstärkt wird, wird seltener.
  • Verstärkung wirkt auch ohne „Erziehung“, „Motivation“ oder „Absicht“.
  • Verstärker sind individuell – was für den einen wirkt, muss für den anderen nicht funktionieren.

Fehlerquellen im Alltag

  • Verstärkung kommt zu spät (z. B. „Guter Hund“, wenn er schon wieder aufgestanden ist).
  • Es wird versucht, Verhalten zu „bestechen“, bevor es gezeigt wird → das ist kein Training, sondern Bestechung.
  • Lob oder Belohnung wird ohne Zusammenhang gegeben – Wirkung verpufft.

Relevanz für Training

Ein Trainer, der Verstärker *gezielt, rechtzeitig und individuell* einsetzt, kann Verhalten gezielt aufbauen, verstärken und erhalten – ohne Druck oder Strafe.

Praxisbeispiel

Ein Wall-Street-Anwalt beginnt, sich im Squash-Spiel nach guten Schlägen selbst zu loben statt sich bei Fehlern zu beschimpfen – Ergebnis: besseres Spiel, mehr Motivation, weniger Frust.

Fazit

Verstärkung ist kein „Gut-zureden“, sondern eine präzise Intervention. Sie wirkt universell – bei Tieren, Menschen, Kindern, Erwachsenen und sogar bei sich selbst.

Verstärkerarten im Training

Diese Seite gibt eine Übersicht über verschiedene Arten von Verstärkern, ihre Wirkung, Anwendung und Relevanz im Training mit Tieren und Menschen. Ergänzt wird sie durch eine einfache Matrix zur individuellen Verstärkerdiagnostik.

1. Arten von Verstärkern

Positive Verstärker

Etwas Angenehmes wird hinzugefügt, z. B.:

  • Futter (Leckerlis, Kauknochen)
  • Spiel (Zerrspiel, Apportieren, Jagen)
  • Soziale Zuwendung (Stimme, Blick, Nähe)
  • Umweltzugang (Freilauf, Schnüffeln, Reize)

Negative Verstärker

Etwas Unangenehmes wird entfernt, z. B.:

  • Druck wird gelöst, wenn Hund nachgibt
  • Abstand nimmt zu, wenn Verhalten gezeigt wird
  • Geräusch oder Stressor endet

→ Wichtig: Das ist kein „Bestrafen“, sondern eine Form der Verstärkung durch Erleichterung!

Primäre Verstärker

  • Biologisch wirksam (z. B. Nahrung, Wärme, Sicherheit)
  • Wirken ohne Vorerfahrung

Sekundäre Verstärker

  • Erlernt durch Verknüpfung (z. B. Click, Lobwort, Geld)
  • Voraussetzung: muss mit primärem Verstärker konditioniert werden

Generalisierte Verstärker

  • Funktionieren in vielen Kontexten (z. B. Geld, Marker, „Fein!“)
  • Werden durch Kombination mit vielen Primärverstärkern besonders stark

2. Verstärker-Matrix (Vorlage)

Kontext Verstärker Bewertung (1–5) Bemerkung
Zuhause, ruhig Käsewürfel 5 sehr motivierend
Unterwegs, Leine Spielzeug quietscht 2 nur mäßiges Interesse
Hundewiese Abruf → Freilauf 5 extrem effektiv
Besucher klingelt Stimme ruhig 1 kaum Wirkung

→ Tipp: Erstelle eigene Tabellen pro Hund / Klient / Kontext. Bewertung hilft bei Trainingsplanung.

3. Auswahlkriterien für Verstärker

  • Individuell: Was will genau *dieser* Hund / Mensch?
  • Situativ: Was wirkt *jetzt* in diesem Zustand / Umfeld?
  • Abwechslungsreich: Wechsel erhöht Motivation (Stichwort: Überraschungseffekt)
  • Messbar: Führt der Verstärker zu häufigerem Verhalten?

Kapitel 2 – Shaping: Superleistung ohne Stress

Dieses Kapitel beschreibt das Prinzip des Shaping – also den Aufbau von komplexem Verhalten durch Verstärkung kleiner, aufeinander aufbauender Schritte. Statt Verhalten zu „erzwingen“, wird es herausgearbeitet.

Was ist Shaping?

Shaping (auch „Formen“ genannt) ist eine Methode, bei der:

  • kleinste Ansätze eines Zielverhaltens sofort verstärkt werden,
  • Zwischenschritte gezielt aufgebaut werden,
  • und das Zielverhalten schrittweise herangeführt wird – ohne Zwang.

Voraussetzungen

  • Der Trainer erkennt mikrofeine Fortschritte im Verhalten.
  • Verstärkung erfolgt präzise, im richtigen Moment.
  • Der Lernende kann frei ausprobieren („Fehler“ sind neutral).

Shaping in der Praxis

Typische Anwendungsbeispiele:

  • Ein Tier hebt zufällig die Pfote → wird verstärkt → später hebt es sie gezielt.
  • Ein Kind blickt auf die Matheaufgabe → wird gelobt → später beginnt es zu rechnen.
  • Ein Hund macht einen Schritt Richtung Rückruf → wird belohnt → Rückruf wird aufgebaut.

Wichtig: Der Trainer muss sich *vorher* überlegen, welche Schritte sinnvoll und erreichbar sind.

Acht goldene Regeln für gutes Shaping

  1. Verstärke kleinste Fortschritte – nicht erst „perfektes“ Verhalten.
  2. Steigere die Anforderungen nur in Mini-Schritten.
  3. Wenn Fortschritt ausbleibt: Rückschritt machen.
  4. Verstärke nur eines gleichzeitig (nicht z. B. „sitz & bleib“ gleichzeitig fordern).
  5. Bleibe flexibel – jeder Hund (Mensch!) lernt anders.
  6. Lerne, Verhalten zu „lesen“, bevor es ganz gezeigt wird.
  7. Achte auf Timing – Markersignal punktgenau setzen.
  8. Mach kurze, motivierende Einheiten – Erfolg erzeugt Motivation.

Shaping ist kein "Locken"

Locken mit Futter („Lure“) ist nicht dasselbe wie Shaping:

  • Beim Locken wird Verhalten geführt,
  • Beim Shaping bietet das Tier selbst etwas an – das verstärkt wird.

→ Shaping fördert Eigeninitiative, Selbstwirksamkeit und Lernfreude.

Zitat aus dem Buch

> „Man kann einem Tier beibringen, eine Kerze auszupusten, auf Kommando zu bellen oder auf einem Ball zu balancieren – alles durch Shaping, ohne Druck, ohne Zwang.“

Fazit

Shaping ist ein mächtiges Werkzeug für das Training von Hunden, Menschen, Delfinen – oder sich selbst. Es braucht Beobachtung, Geduld und Präzision, führt aber zu erstaunlich schnellen Lernerfolgen – ohne Stress.

Shaping-Plan: Verhalten systematisch aufbauen

Zielverhalten

Beschreibung: (z. B. Rückruf auf Signal „Hier“, Berührung Zielobjekt mit Nase, ruhiges Warten auf der Decke)

Trainer: Tier/Mensch: Kontext:

Shaping-Schritte

Schritt Beobachtbares Verhalten Verstärker Marker Kriterien für nächstes Level
1 Blick in Richtung Trainer Futter, Stimme Click Blick erfolgt 3x schnell hintereinander
2 Ein Schritt in Richtung Trainer Futter Click Schritt erfolgt ohne Ablenkung
3 Zwei bis drei Schritte Jackpot Click Bewegung zügig und zielgerichtet
4 Kommt vollständig zum Trainer Futter, Spiel Click Verhalten erfolgt auf 3m Entfernung
5 Kommt auf Signal „Hier“ Jackpot, Spiel Click + verbales Lob Signal wird verlässlich mit Verhalten verknüpft

→ Wiederhole jeden Schritt mehrfach, bevor du den nächsten einführst. Bei Rückschritten: ein Level zurückgehen.

Notizen & Beobachtungen

Evaluation

  • Verhalten stabil? Ja / Nein
  • Kontextübertragung getestet? Ja / Nein
  • Weitere Schritte: Generalisierung / Signalkontrolle / Reizdiskriminierung

Kapitel 3 – Reizkontrolle: Kooperation ohne Zwang

In diesem Kapitel geht es um sogenannte Reizkontrolle – die Fähigkeit, ein Verhalten gezielt auf Signal hervorzurufen, nicht ohne Signal, nicht auf andere Signale, und nicht dauerhaft. Damit wird Verhalten steuerbar, ohne Druck oder Zwang.

Was ist Reizkontrolle?

Ein Verhalten steht unter Reizkontrolle, wenn es:

  • nur auf ein bestimmtes Signal gezeigt wird (z. B. „Sitz“),
  • nicht ohne dieses Signal erfolgt,
  • nicht auf andere Signale reagiert,
  • sofort nach dem Signal gezeigt wird.

Arten von Reizen

  • Signale: bewusste Hinweise (Wort, Handzeichen, Pfiff)
  • Auslösereize: kontextbedingte Trigger (Türklingel, Leine)
  • Umweltreize: visuelle, auditive, soziale Auslöser

Aufbau von Reizkontrolle

  1. Verhalten muss zuerst frei und zuverlässig gezeigt werden.
  2. Dann wird das Signal kurz vor dem Verhalten eingeführt.
  3. Nur Verhalten auf Signal wird verstärkt – alles andere ignoriert.
  4. Signal wird konsistent verwendet (nicht variieren!).
  5. Ablenkungen langsam steigern, Reaktion generalisieren.

Praxisbeispiel

Ein Hund, der zuverlässig auf „Platz“ reagiert, legt sich:

  • nur bei „Platz“ hin,
  • nicht bei „Sitz“, „Aus“ oder beliebigen Worten,
  • nicht von sich aus,
  • sofort, wenn das Signal kommt.

Fehlerquellen

  • Signal zu früh eingeführt (Beispiel: „Sitz“ sagen, obwohl Hund noch nicht zuverlässig sitzt).
  • Signal variieren („Platz“, „Hinlegen“, „Runter“) → Verwirrung.
  • Verstärkung auch ohne Signal → Verhalten wird unsauber.
  • Signal mehrfach wiederholen („Sitz... Sitz!... SIIIITZ!!!“) → Verblasst die Signalwirkung.

Disziplin ≠ Druck

Reizkontrolle ersetzt Zwang: > „Ein gut trainierter Hund liegt auf Signal – nicht, weil er Angst hat, sondern weil er gelernt hat, was sich lohnt.“

Freizeitverhalten unter Reizkontrolle

Auch freiwillige Verhaltensweisen können kontrollierbar werden:

  • Spielen, Jagen, Bellen → gezielt auslösbar oder stoppbar
  • Trickverhalten (z. B. Winken, Rollen) auf Kommando

Fazit

Reizkontrolle schafft Klarheit und Kooperation – nicht durch Strafe, sondern durch sauberes Training. Sie ist die Grundlage für zuverlässiges Verhalten im Alltag und im Leistungstraining.

Checkliste: Reizkontrolle im Training

Diese Checkliste hilft zu überprüfen, ob ein Verhalten unter zuverlässiger Reizkontrolle steht.

Zielverhalten

Bezeichnung: (z. B. „Sitz“, „Komm“, „Box“, „Berühre Target“) Signalwort/Geste: Trainer: Tier/Mensch: Kontext:

Kriterien für Reizkontrolle

Kriterium Erfüllt? (✓/✗) Bemerkung
Verhalten wird nur auf das definierte Signal gezeigt
Verhalten wird nicht ohne Signal gezeigt
Verhalten wird nicht bei anderen Signalen gezeigt
Verhalten erfolgt sofort nach dem Signal (1–2 Sekunden)
Verhalten ist in verschiedenen Kontexten gleich zuverlässig
Signal wird nur einmal gegeben
Verstärkung erfolgt nur, wenn Verhalten auf Signal gezeigt wird
Signal wurde nach dem Verhalten eingeführt und korrekt verknüpft

Qualität der Reizkontrolle (1–5)

  • 1: Reaktion unsicher, häufig ohne Signal oder verzögert
  • 3: Verhalten erscheint meist korrekt, aber inkonsistent
  • 5: Verhalten wird ausschließlich, zuverlässig und prompt auf Signal gezeigt

Nächste Trainingsschritte

Letzte Bewertung: Datum / Trainer / Bemerkung

Trainingsdokumentation: Reizkontrolle

Allgemeine Angaben

  • Trainer:
  • Tier/Mensch:
  • Trainingsziel(e):
  • Trainingsort(e):
  • Datum Start:
  • Letzte Aktualisierung:

Zielverhalten

Verhalten: Signal: (Wort, Geste, Geräusch) Beschreibung des Verhaltens: Gewünschte Reaktion nach Signal:

Trainingsverlauf

Datum Kontext / Ablenkung Reaktion auf Signal Verstärkung (Art) Bemerkung
12.04.2025 Garten, wenig Ablenkung zuverlässig, prompt Click + Käse 1. Trainingstag, 5 Wiederholungen
13.04.2025 Straße, mittlere Ablenkung verzögert, 1x kein Reagieren Click + Spiel Signal wird langsam sicherer
14.04.2025 Hundewiese, hohe Ablenkung keine Reaktion keine Verstärkung nächstes Mal mit Schleppleine sichern

Bewertung der Reizkontrolle

Kriterium Ja / Nein Bemerkung
Verhalten nur auf Signal gezeigt
Kein Verhalten ohne Signal
Keine Reaktion auf andere Signale
Verhalten erfolgt prompt (unter 2 Sek.)
Signal funktioniert in verschiedenen Kontexten

Offene Punkte / Nächste Schritte

Kapitel 4 – Unerwünschtes Verhalten abbauen

In diesem Kapitel stellt Karen Pryor acht Methoden vor, wie man störendes, unerwünschtes oder gefährliches Verhalten abbauen kann – ohne Gewalt und auf Basis verhaltenswissenschaftlicher Prinzipien. Die Methoden reichen von radikal (z. B. „Verhalten eliminieren“) bis subtil (z. B. „Motivation verändern“).

Die 8 Methoden zum Abbau von Verhalten

Methode 1: „Shoot the animal“

Radikale Lösung: das Verhalten (oder das Tier/Mensch) entfernen. Beispiel: Katze pinkelt auf Sofa → wird ins Tierheim gegeben. → Funktioniert, ist aber ethisch und praktisch inakzeptabel.

Methode 2: Das Verhalten bestrafen

Strafe nach dem Verhalten – z. B. Schimpfen, schlagen, Elektroschock. → Funktioniert oft nicht zuverlässig, hat viele Nebenwirkungen (Stress, Angst, Vertrauensverlust, Meideverhalten).

Methode 3: Negative Verstärkung (Druck entfernen)

Etwas Unangenehmes wird entfernt, wenn gewünschtes Verhalten gezeigt wird. Beispiel: Ziehen an der Leine hört auf, wenn Hund sich zurückfallen lässt.

→ Effektiv, aber korrektes Timing & Feingefühl nötig – sonst schnell Strafe.

Methode 4: Verstärker für unerwünschtes Verhalten entfernen

Extinktion: Verhalten ignorieren oder Belohnung unterbinden. Beispiel: Hund springt auf → keine Aufmerksamkeit → Verhalten nimmt ab. → Achtung: Extinktionsausbruch (kurzzeitige Verschlimmerung) ist normal!

Methode 5: Verstärkung für erwünschtes Alternativverhalten geben

Differenzielle Verstärkung: Statt „nein“ → gewünschtes Verhalten verstärken. Beispiel: Hund bellt an der Tür → wird für „Ruhe“ oder „Platz“ belohnt.

Methode 6: Verhalten in einen anderen Kontext verlagern

Verhalten ist nur problematisch in bestimmtem Umfeld. Beispiel: Hund darf jagen – aber nur am Reizangelplatz. → Dampf rausnehmen durch kontrolliertes Umlenken.

Methode 7: Reaktion auf das Verhalten verändern

Falsches Spiel beenden: Verhalten wird gezeigt, weil es „lohnt“ (z. B. Aufmerksamkeit, Macht, Ablenkung). Beispiel: Hund zieht an der Leine → statt mitgehen → stehenbleiben.

Methode 8: Motivation verändern

Langfristige Strategie: Warum zeigt das Tier/Mensch das Verhalten? Beispiel: Hund zerstört Wohnung → weil er Angst/Frust/Unterforderung hat → gezielt an Ursache arbeiten.

→ Dies ist die nachhaltigste und ethischste Methode, erfordert Analyse & Geduld.

Wichtig: Keine Methode wirkt isoliert

Oft braucht es eine Kombination, angepasst an:

  • Lernstand
  • Emotionale Lage
  • Umweltfaktoren
  • Beziehung zum Trainer

Nebenwirkungen vermeiden

  • Strafen haben Folgewirkungen (Meideverhalten, Angst, Beziehungsabbruch).
  • Extinktion kann Frust auslösenAlternativverhalten anbieten!
  • Verstärkung muss präzise erfolgen – sonst wird falsches Verhalten gefördert.

Fazit

Wer Verhalten abbauen will, braucht:

  • Analyse (Was ist der Verstärker?)
  • Strategie (Welche Methode passt?)
  • Timing & Konsequenz
  • Empathie & Klarheit

Trainingsstrategie-Tabelle zum Abbau unerwünschten Verhaltens

Diese Tabelle hilft dabei, unerwünschtes Verhalten systematisch zu analysieren und die passende Methode zur Verhaltensmodifikation auszuwählen.

Verhalten Methode 1: „Shoot the animal“ Methode 2: Strafe Methode 3: Negative Verstärkung Methode 4: Extinktion Methode 5: Alternativverhalten Methode 6: Verhalten verlagern Methode 7: Reaktion verändern Methode 8: Motivation verändern
Hund springt beim Besuch auf Abgabe ins Tierheim (nicht empfohlen) Ignorieren oder Schimpfen Ziehen an Leine hört auf, wenn er sich setzt Ignorieren des Springens Sitz als Alternativverhalten Sitz nur im Wohnzimmer fordern Stehen bleiben bei Sprung Genügend Bewegung und mentale Stimulation, um das Springen zu verhindern
Katze kratzt an Möbeln Weggeben (nicht empfohlen) Schimpfen oder Sprühflasche Kratzen an Kratzbaum wird belohnt Kratzen an Möbeln ignorieren Kratzen an Kratzbaum verstärken Kratzbaum an andere Stelle setzen Möbel abdecken oder einwickeln, Kratzbaum direkt daneben Genügend Spielzeit und Reize bieten
Kind schreit bei Aufgaben Bestrafung oder Ignorieren (nicht empfohlen) Lautes Schimpfen Aufhören, wenn es ruhig wird Schreien ignorieren Angemessenes Verhalten wie „ruhig sprechen“ verstärken Aufgaben mit kleinen Schritten unterteilen Klares Belohnungssystem für ruhiges Verhalten Motivation für die Aufgabe herausfinden (z. B. Spielzeug als Belohnung)
Hund zieht an der Leine Abgabe oder Zwang Ziehen an der Leine mit Druck Ziehen hört auf, wenn er sich zurückzieht Ziehen ignorieren Gehen auf sanftem Signal verstärken Gehen nur an ruhigen Orten Gehen auf Signal „Los“ verstärken Zu viel Bewegung ohne Auslastung, daher Beschäftigung und Geduld erhöhen

Hinweise zur Anwendung

- Jede Methode kann kombiniert werden – wähle die passende Strategie je nach Situation

- Bei der Anwendung von Extinktion (Methode 4) ist Geduld nötig, da Rückfälle auftreten können.

- Methode 8 (Motivation verändern) ist meist langfristig effektiver, da sie an den Ursachen des Verhaltens arbeitet.

Kapitel 5 – Verstärkung im echten Leben

In diesem Kapitel zeigt Karen Pryor, wie die Prinzipien der positiven Verstärkung über das Tiertraining hinaus auch im menschlichen Alltag wirken – bewusst oder unbewusst. Verstärkung beeinflusst Verhalten überall: in Familien, Teams, Schulen, Partnerschaften und Organisationen.

Grundidee

> Verstärkung wirkt immer – ob wir sie bewusst einsetzen oder nicht.

Oft „trainieren“ wir unbewusst Verhalten, das wir gar nicht wollen – weil wir falsche Reaktionen zeigen oder inkonsistente Signale senden.

Typische Alltagsbeispiele

  • Paarbeziehung: Lob für Rücksicht führt zu mehr Rücksicht. Dauerndes Nörgeln kann Rückzug verstärken.
  • Eltern & Kinder: Aufmerksamkeit bei „schlechtem“ Verhalten wirkt als Verstärker – statt erwünschtes Verhalten zu loben.
  • Führungskräfte: Feedback auf gute Leistung = Verstärkung. Schweigen oder Kritik bei Fehlern = Verhalten nimmt ab.
  • Freundeskreis: Wer immer die Pointen unterbricht, erhält keine Lacher mehr – Extinktion.
  • Selbstverstärkung: Eigene Fortschritte anerkennen → mehr Motivation, weniger Aufschieberitis.

Fehlverhalten ungewollt verstärken

  • Kind schreit → bekommt Schokolade → Verstärkung des Schreiens.
  • Hund winselt → bekommt Aufmerksamkeit → Verstärkung des Winselns.
  • Mitarbeiter meckert → Chef geht darauf ein → Meckern wird lohnend.

Wie man es besser macht

  • Verstärke nur Verhalten, das du häufiger sehen willst.
  • Ignoriere oder lenke unerwünschtes Verhalten gezielt um.
  • Verwende präzise Signale und belohne sofort nach gewünschtem Verhalten.
  • Achte auf deine emotionale Reaktion – sie ist oft der stärkste Verstärker.

Verstärkung ist Beziehungsgestaltung

Bewusste Verstärkung ist nicht Manipulation, sondern Kommunikation. Sie signalisiert:

  • „Ich sehe dich.“
  • „Das war hilfreich / schön / erwünscht.“
  • „Du bist wirksam.“

Fazit

Verstärkung ist kein Trick – sie ist ein Grundprinzip menschlichen (und tierischen) Miteinanders. Wer sie gezielt und empathisch einsetzt, verändert nicht nur Verhalten, sondern auch Beziehungen – positiv und nachhaltig.

Checkliste: Verstärkung im Alltag erkennen & nutzen

Diese Checkliste hilft dabei, Verstärkung bewusst wahrzunehmen und gezielt einzusetzen – in Familie, Arbeit, Erziehung, Partnerschaft oder Selbstmanagement.

1. Analyse: Was wird aktuell verstärkt?

Verhalten Reaktion darauf Verstärkertyp Wirkung Zielverhalten?
Kind schreit bekommt Aufmerksamkeit sozial, positiv Verhalten wird häufiger
Kollege hilft spontan erhält Dank & Lob sozial, positiv Verhalten wird häufiger
Ich prokrastiniere kurzzeitig Stressreduktion intern, negativ Verhalten bleibt stabil
Hund legt sich ruhig hin wird gestreichelt sozial, primär Verhalten wird häufiger

Frage: Was davon willst du wirklich häufiger sehen?

2. Zielgerichtete Verstärkung planen

Zielverhalten Verstärkerart Zeitpunkt Signal nötig? Nachhaltigkeitsstrategie
Ruhiger Start in den Morgen Lob, Lieblingsgetränk direkt nach Durchführung nein variable Verstärkung
Freundliches Verhalten im Team Feedback, Einbindung unmittelbar im Gespräch nein sozialer Verstärker generalisieren
Kind spricht anstatt zu schreien Lob, Wunsch erfüllen exakt nach gewünschtem Verhalten ja („ruhig sagen“) Signal mit Alltag verknüpfen

Tipp: Je präziser das Timing, desto stärker die Verstärkungswirkung.

3. Störverhalten bewusst *nicht* verstärken

  • Reagierst du auf Verhalten, das du eigentlich loswerden willst? (z. B. Genervtsein = Verstärker?)
  • Zeigst du unbeabsichtigte Verstärker? (z. B. Lächeln bei unpassendem Verhalten?)
  • Hast du Alternativverhalten parat, das du stattdessen verstärken kannst?

4. Selbstverstärkung etablieren

Auslöser Verhalten Verstärker Wirkung auf Motivation
To-do-Liste abgeschlossen Feierabendritual Musik, Bewegung hoch
Schwieriges Gespräch geführt Reflexion, Schokolade inneres Lob + Genuss stabilisierend
Ziel erreicht Marker setzen (✓) Sichtbarkeit des Fortschritts motivierend

→ Selbstverstärkung steigert Ausdauer, Motivation und Zufriedenheit.

Fazit

Verstärkung passiert – ob bewusst oder unbewusst. Wer sie erkennt und aktiv nutzt, verändert Verhalten und Beziehungen nachhaltig.

Kapitel 5 – Verstärkung im echten Leben

In diesem Kapitel zeigt Karen Pryor, wie die Prinzipien der positiven Verstärkung über das Tiertraining hinaus im menschlichen Alltag wirken. Verstärkung beeinflusst Verhalten überall: in Familien, Teams, Schulen, Partnerschaften und Organisationen.

Grundidee

Verstärkung wirkt immer – bewusst oder unbewusst. Oft wird unabsichtlich Verhalten verstärkt, das eigentlich reduziert werden soll.

Typische Alltagsbeispiele

  • Lob in der Partnerschaft → verstärkt Rücksichtnahme.
  • Aufmerksamkeit für unerwünschtes Verhalten bei Kindern → verstärkt genau dieses Verhalten.
  • Fehlendes Feedback bei guter Arbeit → Verhalten wird seltener gezeigt.

Häufige Fehler

  • Unerwünschtes Verhalten wird durch Aufmerksamkeit, Nachgeben oder Reaktion verstärkt.
  • Erwünschtes Verhalten bleibt unbeachtet → es verschwindet.

Besser machen

  • Nur Verhalten verstärken, das du häufiger sehen willst.
  • Auf Timing, Individualität und Klarheit achten.
  • Eigene emotionale Reaktion reflektieren – sie wirkt oft als unbewusster Verstärker.

Verstärkung als Beziehungsgestaltung

Bewusste Verstärkung ist ein Akt von Aufmerksamkeit, Wertschätzung und positiver Einflussnahme – keine Manipulation. Sie stärkt Verbindung, Vertrauen und Motivation.

Fazit

Verstärkung ist kein Trainingstrick – sondern ein universelles Prinzip. Wer sie gezielt und empathisch einsetzt, gestaltet Alltag, Beziehungen und Lernen effektiv und nachhaltig.

Kapitel 6 – Clickertraining: Eine neue Technologie

In diesem Kapitel beschreibt Karen Pryor die Prinzipien und Wirkung des sogenannten Clickertrainings – also des Einsatzes eines Markersignals (z. B. Klick-Geräusch), das exakt anzeigt, welches Verhalten verstärkt wird. Die Methode stammt aus der Delfin- und Meeressäugerforschung und hat sich weltweit im Tiertraining bewährt.

Was ist ein Clicker?

  • Ein Clicker ist ein kleines Gerät, das ein kurzes, neutrales Geräusch erzeugt („Click“).
  • Das Click-Geräusch wird konditioniert, indem es mehrfach mit einem Verstärker (z. B. Futter) gekoppelt wird.
  • Sobald der Hund den Click mit Belohnung verbindet, kann er als präzises Markersignal eingesetzt werden.

Warum ist der Clicker so effektiv?

  • Er ist präzise: Der Trainer kann Verhalten im exakten Moment markieren.
  • Er ist neutral: Kein emotionaler Ballast wie bei Stimme.
  • Er ist konditionierbar: Er wird durch Wiederholung zum sekundären Verstärker.
  • Er erleichtert das Shaping und beschleunigt Lernprozesse.

Ablauf des Clickertrainings

  1. Konditionierung: Click + Futter (mehrfach, ohne Kommando).
  2. Beobachten: Hund zeigt (zufällig) gewünschtes Verhalten.
  3. Click im exakten Moment → Futter folgt.
  4. Verhalten wird häufiger gezeigt → kann dann auf Signal gelegt werden.

Anwendungsbeispiele

  • Hund berührt Target → Click → Belohnung.
  • Delfin springt → Trainer klickt → Fisch folgt.
  • Kind sagt „bitte“ → Click (oder Lobwort) → Wunsch wird erfüllt.
  • Patient hebt Arm in Reha → Click → Lob & Belohnung.

Vorteile des Clickertrainings

  • Geringe Frustration – weil Hund schnell erkennt, welches Verhalten „richtig“ war.
  • Förderung von kreativem Verhalten – Hund probiert aktiv aus.
  • GFK-kompatibel: Gewaltfrei, klar, auf Beziehungsebene stärkend.
  • Sehr gut kombinierbar mit Shaping, Reizkontrolle, Targettraining.

Wichtige Regeln im Clickertraining

  • Click immer gefolgt von Verstärker – auch wenn versehentlich geklickt.
  • Click markiert Verhalten, nicht Signal.
  • Click nicht als Aufmerksamkeitssignal verwenden – das wäre Missbrauch.
  • Clicker ist kein Fernbedienungsknopf – Verhalten entsteht, wird markiert und dann verstärkt.

Kritik & Missverständnisse

  • Clicker ist kein „Muss“ – Marker können auch verbal sein („Yes“, „Fein“).
  • Clicker ersetzt nicht Beziehung, Timing, Methodik.
  • Clicker ist Werkzeug, kein Konzept – wichtig ist, wie man ihn einsetzt.

Fazit

Clickertraining ist keine Modeerscheinung, sondern eine präzise, effektive und gewaltfreie Kommunikationsform. Richtig eingesetzt, macht es Training klarer, schneller und für alle Beteiligten motivierender.

Ressourcen

Diese Sammlung bietet weiterführende Materialien, Quellen und Empfehlungen rund um das Thema positive Verstärkung, Verhaltensanalyse und Clickertraining. Sie ergänzt die Inhalte aus Karen Pryors Buch Don't Shoot the Dog.

Bücher & Literatur

  • Karen PryorDon't Shoot the Dog (Originaltitel, englisch)
  • Karen Pryor – Reaching the Animal Mind
  • Bob Bailey – The Fundamentals of Animal Training (Seminarunterlagen)
  • B. F. Skinner – Science and Human Behavior
  • Jean Donaldson – Culture Clash (über Hundeverhalten & Missverständnisse)
  • Martin Pietralla – Clickertraining für Hunde (deutschsprachiger Einstieg)

Artikel & Onlinequellen

Audio/Video

  • YouTube: Karen Pryor – Vorträge über Clickertraining & Shaping
  • Podcasts: „Dr. Sophia Yin“, „The Bitey End of the Dog“, „Animal Training Fundamentals“

Tools & Materialien

Verwandte Themen im Wiki

Lizenz & Verwendungshinweis

Die Inhalte dieser Seite basieren auf dem Buch „Don't Shoot the Dog“ von Karen Pryor sowie anerkannten verhaltenspsychologischen Konzepten. Sie dienen ausschließlich der Bildung, dem Training und der ethisch fundierten Anwendung von Verstärkungsmethode.