Rückruftraining
Der Rückruf ist eines der zentralen Signale im Hundetraining – und eines der anspruchsvollsten. Ein Hund, der zuverlässig zurückkommt, kann mehr Freiheit genießen und sicher im Alltag geführt werden.
Doch viele Hundehalter:innen erleben das Gegenteil: Der Hund ist abgelenkt, entdeckt Wild oder spielt mit anderen Hunden – und auf das Rückrufsignal folgt: nichts. Das liegt meist nicht an „Ungehorsam“, sondern an unklarem Training, fehlendem Belohnungssystem oder überfordernden Ablenkungen.
Ziel dieses Artikels: Ein strukturiertes, praxiserprobtes Rückruftraining, das auf positiver Verstärkung, Reizkontrolle und bedürfnisorientiertem Lernen basiert. Schritt für Schritt lernst du, wie du:
- einen sicheren Rückruf aufbaust,
- Ablenkungen dosiert einsetzt,
- Signale klar und belohnend etablierst,
- und dabei Vertrauen und Motivation erhältst.
Der Artikel kombiniert klassische Trainingsmethodik mit modernen Konzepten wie der Loop-Methode, Shaping und dem gezielten Einsatz sekundärer Verstärker wie Marker und Intermedialer Brücke (IB).
Voraussetzung: Geduld, Empathie und Lust auf echte Teamarbeit mit deinem Hund.
Voraussetzungen für erfolgreiches Rückruftraining
Ein sicherer Rückruf braucht mehr als ein lautes „Hier!“ – er braucht Struktur, Planung und die richtigen Rahmenbedingungen.
Gesundheit und mentale Trainingsfähigkeit
Bevor du startest, solltest du sicherstellen, dass dein Hund gesundheitlich fit und mental belastbar ist. Chronische Schmerzen, Stress oder Unterforderung können das Lernverhalten stark beeinträchtigen. Im Zweifel: Erst medizinisch abklären lassen – dann trainieren.
Geeigneter Trainingsrahmen
- Sichere Umgebung: Anfangs keine Freilaufzonen! Verwende Schleppleine oder eingezäunte Bereiche.
- Reizarmes Setting: Wähle ruhige Orte ohne starke visuelle, akustische oder soziale Ablenkungen.
- Klares Management: Rückruftraining ohne Absicherung (z. B. Freilauf bei nicht sicher abrufbarem Hund) führt fast immer zu Rückschritten.
- Verlässliche Kommunikation: Deine Körpersprache, Tonlage und Timing müssen konsistent sein.
Trainerhaltung: Haltung vor Technik
- Trainiere mit innerer Ruhe, Neugier und ohne Druck.
- Rückruf ist kein Befehl, sondern ein Verhalten, das sich lohnt – für beide Seiten.
- Jeder Rückrufversuch ist eine Lernchance – kein Test!
Ohne diese Grundlagen führt jedes noch so ausgefeilte Signal früher oder später ins Leere.
Die Vorarbeit
Bevor du auch nur ein Rückrufsignal gibst, brauchst du Klarheit über drei Dinge: Was motiviert deinen Hund? Was lenkt ihn ab? Und welche Signale willst du wie einsetzen?
Belohnungsliste erstellen
Effektives Rückruftraining basiert auf Motivation – und die ist individuell.
Beispiele für Belohnungen:
- Futter (z. B. Käse, Leberwurst, getrocknete Lunge, Fleischbällchen)
- Spiel (Zergeln, Apportieren, Jagen mit Beuteobjekt)
- Umweltverhalten (z. B. Buddeln, Rennen, Schnüffeln)
- Sozialverhalten (Körperkontakt, verbales Lob – wenn der Hund es mag)
Tipp: Bewerte die Belohnungen auf einer Skala von 1–5 (z. B. 1 = „nett“, 5 = „absoluter Jackpot“). Diese Liste hilft dir später, angemessen zu belohnen – je nach Situation.
Ablenkungsliste erfassen
Je nach Hund sind die stärksten Ablenkungen verschieden. Erstelle eine Liste typischer Reize:
- Menschen (z. B. Jogger, Kinder)
- Tiere (z. B. Wild, fremde Hunde, Katzen)
- Gerüche (z. B. Markierungen, Müll, Wildspuren)
- Geräusche (z. B. Motoren, Bälle, andere Hunde)
Sortiere nach Reizstärke:
- kaum interessant
- mild ablenkend
- stark ablenkend
- nahezu unwiderstehlich
Diese Kategorisierung ist die Grundlage für dein Ablenkungsmanagement im Training.
Rückruf- & Aufmerksamkeitssignal wählen
- Aufmerksamkeitssignal (z. B. „Butzi!“, „Yip!“) → bringt den Hund in deine Richtung
- Rückrufsignal (z. B. „Zack-zack-zack!“, „Hier!“) → löst das Herankommen aus
Wichtig:
- Wähle ein unbelastetes Signal – nicht eines, das du „immer rufst, wenn nichts klappt“.
- Das Rückrufwort soll freundlich, motivierend und gut rufbar sein.
- Trainiere beide Signale getrennt und verknüpfe sie erst später.
Ohne saubere Vorbereitung wirst du in späteren Trainingsschritten unnötige Rückschläge erleben.
Ein Rückrufsignal muss nicht alltäglich klingen – im Gegenteil: Je klarer es sich akustisch und emotional vom Alltagsgerede abhebt, desto besser wirkt es. Hier einige inspirierende Beispiele, die deutlich, freundlich und unkonventionell sind:
- Zack-zack!
- Notaufnahme!
- Tierheim!
- Jipp-jipp!
- Gucci!
- Schnitzel!
- Hopp-hopp!
- Zuuurück!
Wichtig ist nicht das Wort selbst, sondern die damit verknüpfte Erwartung: Rückruf bedeutet Belohnung. Humor und Originalität können dabei helfen, das eigene Signal mit echter Energie zu füllen.
Die fünf wichtigsten Rückrufprinzipien
Bevor du in den Trainingsprozess einsteigst, lohnt sich ein Blick auf die Grundprinzipien erfolgreichen Rückruftrainings. Diese fünf Punkte entscheiden darüber, ob dein Hund später gerne und zuverlässig zu dir kommt.
Management: Schleppleine als Sicherheits- und Lernhilfe
Ein nicht abrufbarer Hund gehört (noch) nicht in den Freilauf. Die Schleppleine ist kein Zeichen von Kontrollverlust, sondern von Trainingsverantwortung.
Warum?
- Du verhinderst selbstbelohnendes Verhalten (z. B. Jagen).
- Dein Hund lernt: Freiraum gibt es bei Orientierung an dir.
- Du schützt andere – und deinen Hund.
Aufmerksamkeits-Signal als innerer Rückruf
Viele Hunde „hören nicht“, weil sie gedanklich ganz woanders sind. Ein vorher aufgebautes Aufmerksamkeitssignal hilft, den Hund überhaupt empfänglich zu machen.
Ziele & Tipps:
- Klassisch konditioniert: Signal → Belohnung (auch ohne Reaktion)
- Kein Druck, kein Befehl
- Markerwirkung: „Jetzt passiert was – hör hin!“
Klare Zielsetzung: Rückruf ist ein Lernprozess
Gerade bei jungen Hunden ist der Rückruf anfangs Trainingsinhalt – kein abrufbares Verhalten. Wer in der Lernphase „echte Rückrufe“ verlangt, programmiert Misserfolge.
Regel: In der Lernphase wird das Verhalten geübt, nicht eingefordert.
Häufige Fehler vermeiden
Fehler #1: Rückruf verwenden, bevor er sitzt → Hund lernt: „Wenn ich komme, gibt’s manchmal Futter – wenn nicht, passiert nichts.“
Fehler #2: Falsche Körpersprache → Frontaler Gang, über den Hund beugen oder starren signalisiert: „Bleib lieber weg.“
Fehler #3: Ungeeignetes Signalwort → „Komm!“ ist oft negativ belegt. Besser: Neues Wort mit positiver Wirkung (z. B. „Hier!“).
Rückrufgerechte Körpersprache
Die nonverbale Kommunikation ist oft entscheidender als das gesprochene Wort:
- Seitlich eindrehen statt frontal auf den Hund zugehen
- Rückwärtslaufen = Einladung
- In die Hocke gehen = Nähe auf Augenhöhe
- Arme locker, nicht greifen oder blockieren
Grundsatz: Dein Körper muss sagen: „Ich freue mich auf dich!“
Tipp für unsichere oder impulsive Hunde: der Geschirrgriff
Der sogenannte Geschirrgriff ist eine ruhige, stabilisierende Berührung am Rückensteg des Hundegeschirrs – etwa 5–10 Sekunden lang, mit leichtem Gegendruck. Er dient nicht der Fixierung, sondern der körperlichen Rückorientierung nach dem Rückruf. Besonders bei reaktiven, gestressten oder überdrehten Hunden kann dieser Griff helfen, Spannung abzubauen und eine Form von „ruhigem Kontakt“ herzustellen, ohne den Hund zu bedrängen.
- Der Griff erfolgt ruhig, mit klarer Handposition – ohne Zug, ohne Überraschung.
- Der Hund kann sich dagegen organisieren (Gegenbewegung) – was Selbstregulation fördert.
- Die Berührung wirkt wie ein körperliches „Ankommen“ – ähnlich einem Umarmungsreiz.
Wichtig: Der Geschirrgriff ersetzt keine Belohnung – er ergänzt sie. Er kann helfen, übererregte Hunde nach dem Rückruf körperlich zu stabilisieren, bevor eine Futter- oder Spielbelohnung erfolgt.
Körpersprache endet nicht beim Blickkontakt – sie reicht bis zur Berührung.
Aufbau des Rückrufs – Körper & Signal
Ein guter Rückruf beginnt nicht mit einem Wort – sondern mit einem verständlichen, einladenden Körpersignal. Erst danach wird das Rückrufwort eingeführt und konditioniert.
Rückruf zunächst ohne Wort aufbauen
Der Hund soll lernen: Wenn du dich zurückziehst oder einladend bewegst, lohnt es sich, zu dir zu kommen.
Ablauf:
- Rückwärtslaufen (einladende Bewegung)
- Der Hund folgt dir
- Du gehst in die Hocke, lobst („Prima!“)
- Belohnung (Futter oder Spiel)
→ Erst wenn dieser Ablauf zuverlässig funktioniert, kommt das Wortsignal ins Spiel.
Rückrufwort konditionieren
Wähle ein klares, positives Wort (z. B. „Hier!“) und verbinde es mit dem natürlichen Rücklaufverhalten.
Ablauf:
- Hund schaut dich an oder ist auf dem Weg zu dir
- Sag das Rückrufwort („Hier!“)
- Wiederhole die körpersprachliche Einladung
- Markerwort („Prima“) → Belohnung
Wichtig:
- Sag das Rückrufwort nur, wenn dein Hund wirklich kommt – sonst nutzt du es „leer ab“.
- Das Lobwort („Prima!“) kommt während der Hund zu dir läuft – nicht erst bei Ankunft.
Rolle der Intermedialen Brücke (IB)
Die intermediale Brücke (IB) ist ein neutrales, freundliches Wort (z. B. „Ja-ja“, „Weiter“), das deinem Hund signalisiert:
- „Du bist auf dem richtigen Weg – gleich kommt der Marker.“*
Konditionierung:
- IB → kurze Pause (0,5–1 Sek.) → Marker (z. B. Click) → Belohnung
- Wird mehrfach wiederholt, bis der Hund auf die IB positiv reagiert
→ Die IB steigert Erwartung, hält Motivation hoch und verbessert das Timing in der Bewegung.
Training in vier Schritten (klassisch)
Neben der Loop-Methode kannst du den Rückruf auch in einer bewährten, klassischen Vier-Schritte-Struktur aufbauen. Sie eignet sich besonders gut für den Einstieg oder als begleitende Struktur.
Schritt 1: Rückrufsignal konditionieren (reizarm)
- Gib das neue Rückrufsignal (z. B. „Zack-zack-zack!“) in einer reizarmen Umgebung.
- Danach folgt sofort eine hochwertige Belohnung – egal ob der Hund reagiert oder nicht.
- Ziel: Aufbau einer positiven Grundverknüpfung mit dem Signal.
Tipp: 10–15 Wiederholungen pro Tag, 3–5 Tage lang, ohne Druck oder Anforderung.
Schritt 2: Reaktion auf Distanz aufbauen
- Lass deinen Hund an der Schleppleine etwas entfernt schnüffeln oder laufen.
- Gib das Rückrufsignal, wenn er halbwegs ansprechbar ist.
- Reagiert er (z. B. schaut, kommt ein Stück näher), → sofort belohnen.
- Bei Erfolg: Rückwärtsgehen und mit Jackpot belohnen.
Ziel: Signal wird auch aus Entfernung relevant.
Schritt 3: Aufmerksamkeitssignal + Rückruf kombinieren
- Verwende dein Aufmerksamkeitssignal (z. B. „Butzi!“), um die Wahrnehmung zu schärfen.
- Danach das Rückrufsignal.
- Belohne jeden Rücklauf großzügig.
- Kombiniere mit Körpersprache (einladen, hinhocken, rückwärtsgehen).
Ziel: Doppeltes Signal → doppelte Absicherung.
Schritt 4: Rückruf unter Ablenkung absichern
- Wähle moderate Ablenkungen aus deiner Reizliste (z. B. anderer Hund in 30 m Entfernung).
- Schleppleine bleibt zur Sicherheit dran.
- Bei Rückruf → sofort hochwertige Belohnung.
- Bei Nicht-Reaktion: Kein Schimpfen – stattdessen Setting vereinfachen.
Wichtig: Je nach Hund kann dieser Schritt Wochen dauern. Geduld entscheidet über Erfolg.
Fehleranalyse & Feinschliff
Auch bei gutem Aufbau wird es Rückschläge geben – wichtig ist, wie du darauf reagierst. Nicht Strafe oder Frust, sondern Analyse und Anpassung bringen dich weiter.
Typische Trainingsfehler erkennen
- Zu viel Ablenkung zu früh: Hund ist überfordert, Rückruf „verpufft“.
- Signal inflationär genutzt: Hund lernt, es zu ignorieren.
- Belohnung zu schwach oder unpassend: Rücklauf lohnt sich aus Hundesicht nicht.
- Falsches Timing: Marker oder Lob kommen zu spät oder gar nicht.
- Körpersprache widerspricht dem Signal: Frontal, hektisch, blockierend.
Fehlerlösungsstrategie
- Was genau hat nicht funktioniert?
- In welcher Phase des Trainings bin ich aktuell?
- War die Reizintensität angemessen?
- Habe ich konsequent belohnt?
- Habe ich das Verhalten korrekt markiert?
→ Dann gezielt zurückstufen (weniger Reize, kürzere Distanz, klarere Belohnung) und wiederholen.
Verhalten stabilisieren
- Wiederholung: Regelmäßiges Üben festigt Verbindungen.
- Variation: Unterschiedliche Orte, Tageszeiten, Belohnungen.
- Unvorhersehbarkeit: Mal gibt es Jackpot, mal Freigabe, mal Spiel → Motivation bleibt hoch.
Tipp: Nutze auch Alltagssituationen (z. B. Rückruf vor dem Überqueren eines Weges) als unauffällige Trainingseinheiten.
Test-Rückrufe für Motivation & Vertrauen
Führe „Test-Rückrufe“ ein:
- Rückruf → Belohnung → sofortige Freigabe
- So lernt dein Hund: Rückruf bedeutet nicht automatisch „Ende des Spaßes“
→ Das steigert die Kooperationsbereitschaft und senkt Frustverknüpfungen.
Belohnungskultur im Rückruftraining
Rückruf bedeutet für deinen Hund: Er unterbricht ein spannendes Verhalten – also muss das Kommen lohnender sein als das Bleiben.
Kreative und kontextbezogene Belohnungen
Nutze Belohnungen, die zu deinem Hund UND zur Situation passen:
- Futter-Jackpots (z. B. mehrere Leckerlis nacheinander, aus der Hand oder geworfen)
- Soziales Spiel (Zergeln, Wettrennen, gemeinsame Freude)
- Freigabe zur Umwelt (nach dem Rückruf wieder zu Hundefreunden oder Geruchsstellen)
- Rücklauf in Bewegung (Hund darf gemeinsam mit dir losrennen)
Wichtig: Nicht jede Belohnung funktioniert immer gleich gut – passe sie dem Arousal-Level deines Hundes an.
Verstärker im Wechsel einsetzen
- Nutze eine Mischung aus:
* Futter * Spiel * Sozialer Interaktion * Umweltverhalten
- Wechsle bewusst: Überraschung = höhere Dopaminausschüttung
Grundregel: Verhalten, das sich lohnt, wird wiederholt.
Auch zögerliches Kommen wird belohnt
Nicht jeder Rückruf ist perfekt – aber jeder Rückruf ist ein Erfolg.
Warum belohnen trotz Zögern?
- Dein Hund hat sich trotz Ablenkung für dich entschieden.
- Du stärkst den Vertrauensvorrat.
- Belohnung sichert Verhalten – nicht Bewertung.
→ Mit klugem Belohnen wird dein Rückruf schneller, sicherer und freudiger.
Belohnung mit Substanz – Rückruf lohnend gestalten
Ein zuverlässiger Rückruf entsteht nicht nur durch Wiederholung, sondern durch emotionale Verknüpfung. Damit der Hund sich auch bei starker Ablenkung für das Kommen entscheidet, muss es sich für ihn lohnen – spürbar, unmittelbar und überzeugend.
Besonders in der Anfangsphase sollten Rückrufbelohnungen deutlich über dem Alltagsniveau liegen. Nicht „ein Keks aus der Tasche“, sondern ein echter Jackpot. Hochwertiges Nassfutter aus einer Tube, mehrere Leckerlis in Folge, sofortiges Spiel oder das gemeinsame Loslaufen können starke Signale setzen.
Stell dir vor: Dein Hund hat gerade auf etwas verzichtet, das für ihn so wertvoll ist wie 1000 Euro – und du willst ihm zeigen, dass es sich trotzdem gelohnt hat.
Auch der Moment der Belohnung ist entscheidend. Je kürzer die Zeit zwischen Reaktion und Verstärkung, desto klarer wird der Rückruf im Gehirn verankert. Belohnung darf gerne in Bewegung erfolgen: im Laufen, beim Mitdrehen, durch gemeinsames Rennen.
Wichtig: Nicht jeder Rückruf muss perfekt sein. Auch langsames oder zögerliches Kommen wird belohnt – denn es ist eine Entscheidung für die Zusammenarbeit.
Typische Fehler vermeiden
Viele Rückrufprobleme entstehen nicht durch Unwillen des Hundes – sondern durch unbewusste Fehler im Umgang oder Timing. Hier die häufigsten Stolperfallen und wie du sie vermeidest:
Rückruf „leer“ verwenden
- Rückrufsignal wird gerufen – aber der Hund kommt nicht, und es passiert nichts.
- Das Signal verliert seine Bedeutung (Habituation).
Besser: Nur rufen, wenn du sicher bist, dass dein Hund kommt – und dann zuverlässig belohnen.
Rückruf endet mit Frust
- Hund wird angeleint, getadelt oder muss nach Hause.
- Rückruf wird negativ besetzt.
Besser: Rückruf → Belohnung → evtl. Freigabe oder Spiel. → So wird Kommen zu etwas Lohnenswertem.
Körpersprache wirkt abweisend
- Frontal auf den Hund zugehen
- Über den Hund beugen
- Nach dem Hund greifen
Besser: Seitlich eindrehen, in die Hocke gehen, locker einladen – nicht blockieren oder dominieren.
Signal ist negativ vorbelastet
- Häufig verwendete Worte wie „Komm!“ sind oft emotional aufgeladen (genervt, frustriert).
Besser: Neutrales, fröhlich klingendes Rückrufwort wählen (z. B. „Hier!“, „Zack-zack!“).
Zusätzliche Kommandoüberfrachtung
- Nach dem Rückruf sofort „Sitz!“ verlangen → demotiviert viele Hunde.
Besser: Zuerst Rückruf trainieren, dann separate Sitz-Übung aufbauen.
Merke: Rückruf soll Spaß machen – nicht mit „Pflichten“ verknüpft werden.
Rückruffallen im Alltag – wie gute Signale ihre Wirkung verlieren
Viele Rückrufprobleme entstehen nicht aus mangelndem Training, sondern durch unbewusste Fehler im Alltag. Besonders häufig sind folgende Konstellationen:
- Das Rückrufsignal wird zu oft „leer“ verwendet
Wenn der Hund ohnehin nicht ansprechbar ist – und trotzdem gerufen wird – schwächt das die Bedeutung des Signals. Der Hund lernt: „Manchmal passiert nichts, wenn ich nicht komme.“
- Rückruf endet mit Frust oder Einschränkung
Wenn Rückruf immer mit Anleinen, Heimweg oder Abbruch von Aktivitäten verknüpft ist, verliert er seine Attraktivität. Der Hund beginnt, Rückruf mit dem Ende von Freiheit zu verbinden – und meidet ihn.
- Körpersprache wirkt widersprüchlich
Wer den Hund frontal anspricht, sich über ihn beugt oder in Erwartungshaltung „auf ihn zugeht“, sendet unbewusst Signale der Unsicherheit oder Kontrolle – keine Einladung.
- Signal ist emotional negativ aufgeladen
Häufig genutzte Worte wie „Komm!“ sind oft mit Frust oder Druck verbunden. Ein frisches, unbelastetes Rückrufwort wirkt motivierender – vor allem, wenn es freundlich ausgesprochen wird.
Grundsatz: Der Rückruf soll nicht als Kommando, sondern als positive Perspektive erlebt werden. Er ist keine Strafe für Fernbleiben – sondern eine Chance auf Nähe, Belohnung und gemeinsame Handlung.
Zwei Rückrufarten unterscheiden
Für ein alltagstaugliches Rückruftraining brauchst du zwei klar getrennte Rückrufarten, die unterschiedliche Funktionen erfüllen – aber aufeinander aufbauen.
Das Aufmerksamkeitssignal
Funktion:
- Holt deinen Hund gedanklich zu dir zurück.
- Unterbricht ein Verhalten, ohne ihn direkt zu dir zu rufen.
Beispiele: „Butzi!“, „Hey!“, Zungenschnalzen, kurzes Pfeifen
Einsatz:
- Bei mäßiger Ablenkung
- Als „innerer Rückruf“ oder Vorbereitung auf den eigentlichen Rückruf
- In Kombination mit Körpersprache oder Folgesignal
Das Rückrufsignal
Funktion:
- Fordert deinen Hund klar und freundlich auf, sofort zu dir zu kommen.
Beispiele: „Hier!“, „Zack-zack!“, „Hopp!“
Einsatz:
- Nur bei sicherem Rückrufverhalten
- Nach dem Aufmerksamkeitssignal oder als eigenständiger Impuls
- Niemals „leer“ verwenden – es muss sich lohnen
Kombinierter Ablauf im Alltag
- Aufmerksamkeitssignal →
- Hund schaut, friert kurz ein →
- Rückrufsignal + Körpersprache →
- Hund kommt →
- Belohnung / Freigabe / Spiel
Fazit: Wer beide Rückrufarten sauber trennt, trainiert gezielter, kommuniziert klarer – und erhöht die Erfolgsquote erheblich.
Ein Rückruf gelingt also nicht durch Druck oder Drill, sondern durch Klarheit, Beziehung und Timing. Er wirkt dann am besten, wenn er nicht wie ein Kommando klingt – sondern wie eine echte Einladung.
Ein Rückruf ist kein Befehl. Er ist eine Einladung – klar, lohnend und emotional besetzt.
Signalwahl mit emotionalem Gehalt
Das Rückrufsignal sollte nicht nur funktional sein, sondern auch emotional aufgeladen – freundlich, einprägsam, motivierend. Viele Hunde reagieren deutlich besser auf Signale, die aus dem Alltagskontext kommen und mit einer gewissen Bedeutung oder Tonalität verbunden sind.
Wichtig ist: Das Signal soll klar unterscheidbar, unbelastet und für den Menschen leicht rufbar sein – selbst unter Stress.
Beispiele für emotional gut tragende Rückrufsignale:
- Eigennamen (z. B. „Lulu!“)
- Lautmalereien („Zack-zack!“, „Hopp!“)
- visuelle Begriffe mit persönlicher Assoziation („Tierheim!“, „Notaufnahme!“, „Gucci!“)
Diese Begriffe wirken oft gerade deshalb, weil sie vom Menschen mit Energie, Humor oder Dringlichkeit ausgesprochen werden. Der Hund spürt: Jetzt ist etwas Wichtiges – und reagiert entsprechend.
Hinweis: Die Bedeutung des Wortes ist zweitrangig. Entscheidend ist die emotionale Aufladung durch Tonfall, Mimik und Kontext.
Rückruf als Vertrauensanker – mehr als nur ein Signal
Ein Rückruf ist mehr als eine technische Übung. Er ist Ausdruck von Beziehung, Kommunikationskultur und gegenseitigem Vertrauen. Wenn der Hund kommt, obwohl ihn etwas anderes lockt, entscheidet er sich für die Zusammenarbeit.
Diesen Moment gilt es zu schützen – mit Klarheit, Fairness und echter Wertschätzung. Rückruftraining endet nicht mit dem Aufbau eines Signals, sondern mit dem bewussten Umgang damit im Alltag. Je verlässlicher der Mensch handelt, desto verlässlicher wird auch der Hund reagieren.
Erst wenn Rückruf nicht nur funktioniert, sondern sich für beide Seiten gut anfühlt, ist er wirklich gelungen.
Fazit
Ein zuverlässiger Rückruf ist kein Zufallsprodukt – sondern das Ergebnis eines gut durchdachten, empathischen und strukturierten Trainings. Er schafft Sicherheit, Freiheit und Vertrauen im Alltag – für Hund und Mensch.
Was du mitnehmen solltest:
- Rückruftraining beginnt mit guter Vorbereitung: Belohnungen, Ablenkungen, Signale.
- Der Aufbau erfolgt schrittweise: Aufmerksamkeit → Umorientierung → Rückruf → Festigung.
- Fehler gehören dazu – Analyse und Anpassung bringen dich weiter.
- Der Rückruf ist kein „Test“, sondern ein gemeinsamer Lernprozess.
- Körpersprache, Timing und Belohnungskultur sind entscheidend.
Wichtigster Grundsatz:
Der Hund kommt nicht, weil er muss – sondern weil es sich für ihn lohnt.
Wenn du Rückruftraining mit Geduld, Freude und echtem Interesse an deinem Hund aufbaust, wirst du belohnt: Mit einem Hund, der gerne zurückkommt – selbst bei Ablenkung, aus Überzeugung und aus Vertrauen.
Rückruftraining mit Welpen
Das Rückruftraining ist eine der wichtigsten Grundlagen für ein sicheres Zusammenleben mit dem Hund und sollte bereits im Welpenalter spielerisch aufgebaut werden. Der vorliegende Text enthält eine konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung sowie ergänzende Spielideen für den Alltag mit jungen Hunden.
Aufbau des Rückrufs
1. Zunächst wird ein sogenanntes "Aufmerksamkeitsgeräusch" eingeführt, also ein individueller Laut, auf den der Welpe reagiert. Sobald der Welpe sich daraufhin zum Menschen bewegt, erfolgt ein Marker (z. B. Klick) und eine Belohnung.
2. Im nächsten Schritt wird das eigentliche Rückrufsignal eingeführt. Dieses wird mit dem bereits konditionierten Aufmerksamkeitsverhalten verknüpft: Der Mensch macht das Aufmerksamkeitsgeräusch, sagt dann das Rückrufwort und markiert das schnelle Herankommen des Welpen. Die Belohnung erfolgt direkt beim Menschen und mit allen vier Pfoten am Boden (um Hochspringen nicht zu verstärken).
3. Wichtig ist, den Marker exakt in dem Moment zu setzen, in dem der Welpe besonders motiviert in Bewegung ist. So wird das Laufverhalten positiv aufgeladen.
Wiederholungen und Variationen
- Um das Verhalten zu festigen, empfiehlt sich das Wechselspiel in der Familie: Mehrere Personen sitzen im Raum verteilt und rufen den Welpen abwechselnd. Wichtig ist, auch für das "Beim Menschen Bleiben" zwischendurch Belohnungen zu geben, damit der Welpe nicht nur das Hin- und Herlaufen lernt.
- Das Rückrufsignal sollte erst eingeführt werden, wenn der Welpe verlässlich kommt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Signal entwertet wird.
Fehlervermeidung
- Wenn der Welpe nicht (mehr) kommt: Immer einen Schritt im Aufbau zurückgehen. Entweder den Reizwert der Belohnung erhöhen (z. B. Hühnchenstückchen) oder den Ablenkungsgrad der Umgebung reduzieren.
- Wichtig: Nie aus dem Kragen oder Halsband rufen! Für das Sichern eignet sich eine Schleppleine am gut sitzenden Geschirr. Der Rückruf soll nicht mit unangenehmen Empfindungen (z. B. Zug am Hals) verknüpft sein.
Emotionaler Hintergrund
Das Training basiert nicht nur auf operanter Konditionierung (Lernen durch Konsequenzen), sondern auch auf klassischer Konditionierung: Durch die wiederholte Verknüpfung von Rückrufsignal und positiver Erfahrung entsteht eine emotionale Aufladung. Der Rückruf löst beim Welpen schrittweise eine Art "Reflexverhalten" aus.
Problembehebung
- Bei stockendem Rückruf helfen Tricks wie: Hocken, seitlich drehen, freundliche Stimme, klatschen, weglaufen (anstatt stehenbleiben!), mit Beute rascheln oder besondere Leckerchen anbieten.
- Bei häufigem Fehlverhalten den Ort wechseln, neue Motivation schaffen oder mit Schleppleine absichern.
Nächste Trainingsschritte
- Wenn der Rückruf in ruhiger Umgebung sitzt, wird gezielt mit Ablenkungen geübt. Auch hier: Schrittweiser Aufbau, kleinschrittiges Vorgehen und viel Verstärkung für richtiges Verhalten.
- Der gezielte Wechsel zwischen Action und Konzentration fördert nicht nur die Kooperation, sondern auch die Erregungsregulation des Welpen.
Hinweis zur Trainingsmoral
Rückruftraining darf nie zur Strafe oder Kontrolle missbraucht werden. Ein Welpe, der auf Zuruf kommt, soll sich stets sicher fühlen und Freude an der Rückorientierung entwickeln. Der Rückruf ist keine Abrichtung, sondern eine Kommunikationsbrücke zwischen Mensch und Hund.
