Zwei Hunde
Einleitung: Zwei Hunde unter zwei Jahren
Die gleichzeitige oder nahezu gleichzeitige Anschaffung von zwei Junghunden wird von Fachleuten meist klar abgelehnt. Der häufig gegebene Ratschlag lautet, niemals zwei Welpen auf einmal zu nehmen – insbesondere nicht aus demselben Wurf. Dahinter stehen praktische und verhaltensbiologische Überlegungen.
Trotzdem entscheiden sich manche Halter bewusst oder unbewusst dafür, zwei junge Hunde gleichzeitig oder kurz nacheinander aufzunehmen – sei es durch besondere Lebensumstände, emotionale Entscheidungen oder aus Unkenntnis möglicher Risiken.
Diese Konstellation bringt erhebliche Herausforderungen mit sich: In der kritischen Phase der Sozialisation, Bindungsentwicklung und Erziehung muss doppelte Aufmerksamkeit, Zeit und Fachwissen aufgebracht werden, um langfristige Probleme zu vermeiden.
Der Artikel beleuchtet Chancen und Risiken, zeigt typische Fallstricke auf und gibt praxisnahe Hinweise für den Umgang mit zwei Junghunden unter zwei Jahren.
Wie kommt man zu zwei Junghunden?
Viele Menschen kommen nicht durch bewusste Planung, sondern durch Zufall oder emotionale Entscheidungen zu zwei jungen Hunden. Gründe können sein:
- Begeisterung über den ersten Hund und der Wunsch nach einem zweiten
- Spontane Gelegenheiten wie ein zweiter Welpe aus dem gleichen Wurf
- Pflegenotfälle oder Hilfestellungen im Tierschutz
- Der Glaube, ein Hund brauche unbedingt einen Artgenossen als Spielpartner
Nicht selten spielt auch der Gedanke „Jetzt oder nie“ eine Rolle – insbesondere bei Menschen mit begrenztem zeitlichen oder gesundheitlichen Planungshorizont. Andere folgen dem Wunsch, eine bestimmte Rasse oder Kombination möglichst schnell zu erleben.
Viele unterschätzen dabei den organisatorischen und emotionalen Aufwand, der mit zwei Junghunden verbunden ist. Die ersten Monate entscheiden maßgeblich über Bindung, Sozialisierung und Erziehungsbasis – und doppelte Verantwortung erfordert doppelte Vorbereitung und Präsenz.
Wer zwei junge Hunde gleichzeitig aufnimmt, muss sich der damit verbundenen Anforderungen bewusst sein und sie gezielt managen.
Vorteile und Nachteile
Zwei Junghunde gleichzeitig aufzuziehen kann sowohl Vorteile als auch erhebliche Nachteile mit sich bringen – abhängig von Voraussetzungen, Erfahrung und Management.
Mögliche Vorteile:
- Die Hunde wachsen gemeinsam auf und haben ähnliche Bedürfnisse.
- Gemeinsames Spiel und gegenseitige Beschäftigung können entlasten.
- Soziale Kompetenzen im Hundekontakt lassen sich im direkten Austausch entwickeln.
- Gemeinsame Rituale und Routinen erleichtern bestimmte Abläufe.
Typische Nachteile und Risiken:
- Gefahr einer zu engen Bindung zwischen den Hunden bei gleichzeitig reduzierter Bindung zum Menschen.
- Erhöhte Wahrscheinlichkeit für Trennungsstress und mangelnde Frustrationstoleranz.
- Schwieriger Aufbau von Alleinbleiben, Rückruf und Orientierung am Menschen.
- Parallele Entwicklungsphasen bedeuten doppelte emotionale und organisatorische Belastung.
- Gefahr von Überforderung bei Spiel, Erziehung und Sozialisation.
- Konfliktpotenzial steigt mit Eintritt in die Adoleszenz (z. B. Ressourcenverteidigung, Dominanzverhalten).
Zwei gleichaltrige Hunde zu führen erfordert doppelte Erziehungsarbeit, klare Strukturen und hohe persönliche Präsenz. Ohne gezielte Einzelbetreuung und -förderung können nachhaltige Bindungs- und Verhaltensprobleme entstehen.
Wurfgeschwister – besondere Herausforderungen
Besonders kritisch wird die gleichzeitige Haltung von Wurfgeschwistern betrachtet. Dabei treten spezifische Probleme auf, die unter dem Begriff „Littermate Syndrome“ bekannt sind.
Typische Schwierigkeiten bei Wurfgeschwistern:
- Extreme Bindung aneinander bei gleichzeitiger Unsicherheit gegenüber fremden Hunden und Menschen
- Reduzierte soziale Kompetenz und mangelnde Trennungsfähigkeit
- Vermehrte Ängstlichkeit, Unruhe und Anspannung bei Abwesenheit des Geschwistertiers
- Schwierige individuelle Entwicklung, da beide Hunde selten unabhängig voneinander agieren
- Probleme in der Kommunikation mit dem Menschen
Diese Symptome treten besonders häufig auf, wenn die Hunde sehr ähnlich in Wesen, Alter und Erleben sind und über längere Zeit nahezu ausschließlich miteinander interagieren. Die Gefahr besteht, dass die Entwicklung zur eigenständigen Persönlichkeit und die Bindung zum Menschen gehemmt werden.
Um dem entgegenzuwirken, sind getrennte Spaziergänge, Trainings- und Ruhephasen unerlässlich. Zudem sollte gezielt daran gearbeitet werden, dass jeder Hund sich auch ohne den anderen sicher und selbstständig bewegen und konzentrieren kann.
Wurfgeschwister benötigen intensive Einzelbetreuung, um ein gesundes, konfliktfreies Zusammenleben zu ermöglichen.
Worauf kommt es an?
Entscheidend für ein harmonisches Zusammenleben mit zwei Junghunden ist ein strukturiertes, individuelles Vorgehen. Dabei steht nicht das gleichzeitige Trainieren im Vordergrund, sondern die gezielte Förderung jedes einzelnen Hundes.
Wichtige Voraussetzungen und Maßnahmen:
- Aufbau einer stabilen Einzelbeziehung zu jedem Hund
- Getrennte Spaziergänge, Trainingseinheiten und Ruhezeiten
- Individuelle Förderung basierend auf Temperament und Entwicklung
- Frühzeitiges Etablieren von Trennungssituationen zur Vermeidung von Abhängigkeit
- Konsequente Alltagssignale, Rituale und Regeln, die für beide Hunde gelten
- Gemeinsame Aktivitäten nur nach erfolgreicher Einzelarbeit
Der Mensch muss als zentrale Bezugsperson wahrgenommen werden – nicht als Teil eines Rudels, in dem die Hunde unter sich bleiben. Dafür ist bewusste Beziehungspflege notwendig, bei der Kommunikation, Orientierung und Sicherheit im Vordergrund stehen.
Gemeinsamkeiten können später genutzt werden, wenn die individuelle Basis steht. Erst dann ist echtes Zusammenspiel statt Konkurrenz oder Verunsicherung möglich.
Konflikte beim Erwachsenwerden
Mit dem Eintritt in die Adoleszenz verändern sich soziale Strukturen und Rollenverhalten deutlich. Zwei Junghunde, die bislang harmonisch miteinander interagiert haben, können nun vermehrt in Konkurrenz treten.
Typische Konfliktfelder in dieser Phase:
- Ressourcenverteidigung (z. B. Spielzeug, Futter, Aufmerksamkeit)
- Auseinandersetzungen um Nähe zum Menschen oder bevorzugte Liegeplätze
- Unsicherheiten in der Rollenverteilung bei gleichstarken Persönlichkeiten
- Übersprungshandlungen und Frustrationsreaktionen bei Überforderung
Besonders problematisch wird es, wenn beide Hunde gleichzeitig in die hormonelle Reifung kommen. Die Kommunikation wird rauer, die Reaktionen impulsiver. Ohne klare Führung und ausreichende Entlastung durch Management kann es zu chronischen Spannungen oder dauerhaften Konflikten kommen.
Wichtig ist es, Verhaltensveränderungen frühzeitig zu erkennen und nicht zu bagatellisieren. Eskalationen entstehen oft schleichend – durch fehlende Rückzugsmöglichkeiten, unklare Grenzen oder unterschwellige Rivalität.
In dieser Phase ist gezieltes Training in Einzelsettings, Konfliktprävention und engmaschige Beobachtung essenziell, um die Beziehung zwischen den Hunden stabil zu halten.
Problemen vorbeugen
Damit zwei Junghunde sich gesund entwickeln und ein stabiles Zusammenleben möglich ist, braucht es frühzeitig gezielte Maßnahmen zur Prävention typischer Probleme.
Empfohlene Vorgehensweisen:
- Früh getrennte Erlebnisse schaffen (Spaziergänge, Training, Ruhephasen)
- Einzelbindung stärken: Jeder Hund bekommt eigene Zeit und Zuwendung
- Individuelle Förderung statt pauschaler Doppelführung
- Trennungssituationen positiv aufbauen, um Abhängigkeiten zu vermeiden
- Aufmerksamkeitsverteilung bewusst steuern, damit kein Konkurrenzverhalten entsteht
- Rituale und Regeln konsequent, aber fair für beide Hunde etablieren
- Überforderung durch Reizreduktion und klare Strukturen vermeiden
Auch externe Unterstützung durch qualifizierte Trainer oder Verhaltensberater kann helfen, die Weichen früh richtig zu stellen. Ziel ist eine stabile Beziehung zu jedem einzelnen Hund und ein entspanntes Miteinander ohne ständige Konflikte oder Überforderung.
Vorausschauendes Handeln, Zeitinvestition und Fachwissen sind entscheidend, um doppeltes Glück statt doppeltem Chaos zu erleben.
