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Die Gesamtdauer des Tests beträgt ca. 50–60 Minuten. In diesem Zeitraum sind keine längeren Entspannungspausen für die Hunde enthalten. Stattdessen wird der Hund gezielt mit möglichst vielen Stressoren und Reizen konfrontiert – mit dem Ziel, dessen Verhalten in Extremsituationen zu beobachten. | Die Gesamtdauer des Tests beträgt ca. 50–60 Minuten. In diesem Zeitraum sind keine längeren Entspannungspausen für die Hunde enthalten. Stattdessen wird der Hund gezielt mit möglichst vielen Stressoren und Reizen konfrontiert – mit dem Ziel, dessen [[Verhalten]] in Extremsituationen zu beobachten. | ||
Da ein Test nie alle realen Lebenssituationen abbilden kann, ist ein gewisser Stresslevel systembedingt. In Hamburg gelten besonders umfangreiche Anforderungen. Für den Test werden z. B. folgende Elemente benötigt: | Da ein Test nie alle realen Lebenssituationen abbilden kann, ist ein gewisser Stresslevel systembedingt. In Hamburg gelten besonders umfangreiche Anforderungen. Für den Test werden z. B. folgende Elemente benötigt: | ||
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* Eine Testperson nähert sich mit einem Stock (nicht aus der Hocke!). | * Eine Testperson nähert sich mit einem Stock (nicht aus der Hocke!). | ||
* Eine Person nähert sich mit einem brennenden Feuerzeug. | * Eine Person nähert sich mit einem brennenden Feuerzeug. | ||
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* Unterschiedliche Standards führen zu abweichenden Einschätzungen bei identischen Situationen. | * Unterschiedliche Standards führen zu abweichenden Einschätzungen bei identischen Situationen. | ||
* Der persönliche Hintergrund oder die Ideologie der Gutachter*innen kann das Ergebnis beeinflussen. | * Der persönliche Hintergrund oder die Ideologie der Gutachter*innen kann das Ergebnis beeinflussen. | ||
* Mangelnde Sachkenntnis im Bereich Hund-Mensch-Kommunikation gefährdet faire Beurteilungen. | * Mangelnde Sachkenntnis im Bereich Hund-Mensch-[[Kommunikation]] gefährdet faire Beurteilungen. | ||
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Aktuelle Version vom 1. Juni 2025, 19:09 Uhr
Einführung: Gefährliche Hunde und ihre Einschätzung
Gefährliche Hunde im Sinne der Landeshundeverordnungen in Deutschland werden zu einem Wesenstest oder Negativgutachten geladen: manchmal nach einem Beißvorfall, manchmal aufgrund einer sogenannten Rasseliste.
Nach dem tragischen Tod eines kleinen Kindes durch zwei Hunde in Hamburg im Jahr 2000 wurde die Diskussion um Hunde und ihre Gefährlichkeit laut. Es galt für die Politik wie auch für Behörden, sofort zu handeln, und im Eilverfahren wurden Landeshundeverordnungen zur Gefahrenabwehr für die Öffentlichkeit erlassen. Das Versagen der Behörden im Vorweg wurde kaum und nur unzureichend beleuchtet.
Damit eine Landesbehörde einordnen kann, was ein gefährlicher Hund ist, werden in der Regel sogenannte Rasselisten zugrunde gelegt – meist basierend auf FCI- oder AKC-Rassekategorien. Beißstatistiken und wissenschaftliche Ergebnisse werden nicht oder kaum beachtet. In einigen Bundesländern (z. B. Schleswig-Holstein, Niedersachsen) gibt es keine Rasselisten. In anderen wird die Gefährlichkeit aufgrund von Kategorien, Vorfällen oder Haltungsverboten festgestellt.
Hier kommt der Wesenstest ins Spiel: Er soll helfen zu erkennen, ob ein Hund tatsächlich eine Gefahr darstellt – unabhängig von Rasse oder Vorverurteilung. Für den Laien bleibt das schwer durchschaubar.
Ziele des Wesenstests
Der Wesenstest hat – beispielhaft in Schleswig-Holstein – das Ziel, überspitzte oder gefährliche Reaktionen des Hundes zu erkennen, die eine konkrete Gefährdung für Menschen oder Tiere darstellen könnten.
Ziel ist es, zu ermitteln, ob ein Hund durch sein individuelles Aggressionsverhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, insbesondere wenn er ohne Maulkorb geführt wird.
Der Wesenstest ist dabei ein Baustein, um eine behördlich vorgenommene Einstufung als gefährlicher Hund rückgängig machen zu können (vgl. Landeshundeverordnung Schleswig-Holstein).
In anderen Bundesländern wird der Wesenstest generell angeordnet, wenn ein Hund einer als „gefährlich“ oder „nicht widerlegbar gefährlich“ eingestuften Rasse angehört. Dazu zählen beispielsweise:
- American Staffordshire Terrier
- Pitbull Terrier
- Bullterrier
- Kreuzungen dieser Rassen
In bis zu 15 Rassen werden je nach Bundesland als grundsätzlich gefährlich aufgeführt. Der Wesenstest wird eingesetzt, um die individuelle Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit zu prüfen – unabhängig von der Rasse.
Ablauf und Anforderungen des Wesenstests
Die Gesamtdauer des Tests beträgt ca. 50–60 Minuten. In diesem Zeitraum sind keine längeren Entspannungspausen für die Hunde enthalten. Stattdessen wird der Hund gezielt mit möglichst vielen Stressoren und Reizen konfrontiert – mit dem Ziel, dessen Verhalten in Extremsituationen zu beobachten.
Da ein Test nie alle realen Lebenssituationen abbilden kann, ist ein gewisser Stresslevel systembedingt. In Hamburg gelten besonders umfangreiche Anforderungen. Für den Test werden z. B. folgende Elemente benötigt:
Typische Testelemente (Auswahl aus Hamburg)
- Ein „Betrunkener“ torkelt auf den Hund zu (ca. 2 m Abstand).
- Eine Person schreit den Hund wütend an.
- Zwei Hunde unterschiedlichen Geschlechts und Aussehens begegnen dem Hund.
- Ein bellender Hund wird im Sichtschutz hinter dem Testhund platziert.
- Der Halter stolpert über den Hund.
- Der Halter wird durch eine Figur „angegriffen“.
- Der Hund wird mit einem gleichgeschlechtlichen Hund am Zaun konfrontiert.
- Eine Testperson geht ohne Hilfsmittel bedrohlich auf den Hund zu.
- Eine Testperson nähert sich mit einem Stock (nicht aus der Hocke!).
- Eine Person nähert sich mit einem brennenden Feuerzeug.
- Beispiel Berlin: Ein Kind läuft plötzlich in ca. 25 m Entfernung auf den Hund zu, an langer Leine.
Wichtig: Der Hund darf keine „erkennbaren Absichten“ zur Aggression zeigen und muss unter Kontrolle bleiben.
Testziel
Es soll geklärt werden, ob der Hund in solchen Situationen kontrollierbar bleibt – unabhängig davon, wie stark der Stressfaktor ist.
Qualifikation der Gutachter*innen
Die Anforderungen an Gutachter*innen variieren stark zwischen den Bundesländern – sowohl in Bezug auf Inhalte als auch auf formale Voraussetzungen.
In Hamburg zum Beispiel gelten spezielle Vorgaben, u. a.:
- Schwerpunktfortbildung im Bereich Aggressionsverhalten
- Nachweis über eine bestimmte Anzahl an Hospitationen bei Wesenstests
Das Land Hessen hingegen hat gemeinsam mit dem VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen e. V.) klare Kriterien definiert. Danach darf nur als Gutachter*in tätig sein, wer:
- Erfolgreich an Schutzdienstprüfungen Stufe III mit mehreren Hunden teilgenommen hat
- Erfolgreich an der Fährtenhundprüfung teilgenommen hat
- Praktische Erfahrung bei einem vom FCI anerkannten Rassezucht- oder Hundesportverband gesammelt hat
- Mindestens fünf Jahre Leistungsrichter*in-Erfahrung nachweisen kann (z. B. VDH oder Polizei)
Problematische Aspekte
Die Uneinheitlichkeit sorgt für Kritik:
- Unterschiedliche Standards führen zu abweichenden Einschätzungen bei identischen Situationen.
- Der persönliche Hintergrund oder die Ideologie der Gutachter*innen kann das Ergebnis beeinflussen.
- Mangelnde Sachkenntnis im Bereich Hund-Mensch-Kommunikation gefährdet faire Beurteilungen.
Zitat: „Das Testen mit Stachelhalsband sollte möglichst unterbleiben.“ – Landesecho Hamburg
Konfliktpotenzial: Gutachter*in vs. Hund vs. Halter*in
Die Bewertung eines Hundes im Wesenstest kann stark von der inneren Haltung und dem Erfahrungshorizont der begutachtenden Person beeinflusst sein.
Einflussfaktoren auf die Bewertung
- Eigene Angst vor bestimmten Hunderassen
- Vorurteile gegenüber Halter*innengruppen (z. B. junge Männer, bestimmte Subkulturen)
- Weltanschauung bezüglich „Gehorsam“ und „Dominanz“
- Mangel an Kenntnissen in moderner Lerntheorie oder Ethologie
Das führt zu zentralen Fragen:
- Inwieweit sind Wesenstests tatsächlich objektiv?
- Welche Rolle spielen persönliche Einstellungen der Gutachter*innen?
- Können Gutachter*innen ein neutrales Verhalten zeigen, wenn sie Hunde testen, die z. B. durch Medien oder Gesellschaft bereits stigmatisiert sind?
Beispielhafte Problematik
Ein Hund wird beim „Stolpertest“ bedrängt, zeigt Meideverhalten und knurrt. Eine Gutachter*in mit Verständnis für Körpersprache erkennt ein angemessenes Verhalten. Eine andere bewertet dies als „auffällige Aggression“ – mit weitreichenden Konsequenzen für Hund und Halter*in.
Konsequenz
Die subjektive Einschätzung einzelner Menschen entscheidet über:
- Leinen- und Maulkorbpflicht
- Haltungserlaubnis
- Ggf. Einschläferung des Hundes
Kritik an gesetzlichen Definitionen
Die Begriffe „gefährlicher Hund“ oder „Kampfhund“ sind weder wissenschaftlich fundiert noch ethologisch haltbar. Sie basieren oft auf veralteten Annahmen und Medienbildern – nicht auf belastbaren Studien oder Einzelfallanalysen.
Problematische Begriffsverwendung
- Der Begriff „Kampfhund“ ist rechtlich nicht definiert und wird dennoch regelmäßig verwendet.
- Die Einteilung in „Risikorassen“ erfolgt oft auf Basis äußerer Merkmale – nicht auf Verhalten.
- Phänotypische Diskriminierung (also Diskriminierung aufgrund des Aussehens) ist weit verbreitet.
Beispiel: Phänotypische Einstufung
Hunde, die optisch bestimmten Rassen ähneln, werden in einigen Bundesländern automatisch als „gefährlich“ eingestuft – ohne dass sie durch Verhalten auffällig geworden sind.
Hinweis auf Quellen
PETA Deutschland weist in ihren Publikationen darauf hin, dass der Begriff „Kampfhund“ ursprünglich aus illegalen Hundekampf-Kreisen stammt. Die Zuschreibung eines generellen „Kampfinstinkts“ ist falsch und gefährlich.
Folgeproblematik
- Rassezugehörigkeit ersetzt individuelle Verhaltensbeobachtung.
- Halter*innen geraten unter Generalverdacht.
- Ressourcen für echte Gefahrenabwehr werden ineffizient eingesetzt.
Zitat: „Nicht das Maul eines Hundes ist gefährlich, sondern die Hand am anderen Ende der Leine.“ – Unbekannt
Rechtslage: Anspringen als Beißvorfall
In vielen Bundesländern reicht bereits ein vermeintlich harmloses Verhalten wie das „Anspringen“ einer Person aus, um ein behördliches Verfahren wegen eines Beißvorfalls einzuleiten – insbesondere, wenn der betroffenen Person dabei ein Schaden entsteht.
Juristische Realität
- Wird z. B. ein älterer Mensch durch das Anspringen eines Hundes zu Fall gebracht, kann dies rechtlich als „gefährliches Verhalten“ gewertet werden.
- In mehreren Landeshundeverordnungen gilt bereits das „Berühren mit den Zähnen“ ohne Verletzung als „Beißvorfall“.
- Ob tatsächliche Aggression oder lediglich Übersprungverhalten vorliegt, wird oft nicht differenziert.
Auswirkungen auf Halter*innen
- Automatische Meldepflicht bei Behörden
- Anordnung eines Wesenstests oder Auflagen wie Maulkorb-/Leinenpflicht
- Im schlimmsten Fall: Haltungsverbot oder behördliche Wegnahme des Hundes
Kritikpunkte
- Fehlende Kontextbetrachtung (z. B. Spielverhalten, Angstreaktion)
- Keine klare Unterscheidung zwischen Gefährdung und sozialem Missverständnis
- Emotional und sozial hoch belastend für die Halter*innen – oft ohne echte Gefahrensituation
Zitat: „Es ist ein Unterschied, ob ein Hund beißt, um zu töten – oder ob er kommuniziert.“ – Katharina Marioth
Vorbereitung auf den Wesenstest
Ein Wesenstest prüft nicht nur Verhalten, sondern auch Stressverarbeitung, Bindung, Führbarkeit und Umweltverhalten. Eine gezielte Vorbereitung ist möglich – aber ethisch und fachlich umstritten, wenn sie nur auf „bestehen“ ausgerichtet ist.
Was lässt sich trainieren?
- Orientierung an der Bezugsperson (Leinenführung, Rückruf)
- Reizgewöhnung (z. B. an laute Geräusche, Menschenmengen, ungewohnte Gegenstände)
- Impulskontrolle in Stresssituationen
- Kooperationsbereitschaft und Ansprechbarkeit unter Ablenkung
Grenzen des Trainings
- Echte Aggression lässt sich nicht „wegtrainieren“, sondern muss verstanden und bearbeitet werden.
- Verhalten im Test ist oft kontextabhängig – der Hund kann anders reagieren als im Alltag.
- Stark konditionierte Hunde können im Test „funktionieren“, obwohl innerlich Stress oder Überforderung vorliegt.
Rolle der Trainer*innen
Gute Trainer*innen arbeiten nicht an der Oberfläche (Symptombekämpfung), sondern an:
- Beziehungsqualität
- Bedürfnisorientierter Kommunikation
- Stress- und Frustrationstoleranz
Trainer*innen, die den Test als reine „Prüfung“ betrachten, fördern kurzfristig angepasste Verhaltensmuster – langfristig jedoch keine Sicherheit.
[Ergänzung] Netzwerk & Haltung
Ein ethisch reflektiertes Netzwerk aus Trainer*innen, Verhaltensberater*innen und Halter*innen kann helfen, die Belastung für Mensch und Hund zu reduzieren. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) liefert hier wichtige Grundlagen für Dialog und Haltung.
Zitat: „Nicht der Test entscheidet über das Wohl des Hundes, sondern die Vorbereitung darauf.“ – Katharina Marioth
Sozialverhalten und gesetzliche Vorgaben
Die gesetzlichen Regelungen rund um das Halten von Hunden unterscheiden sich stark zwischen den Bundesländern – besonders in Bezug auf Maulkorbpflicht, Leinenzwang und Erlaubnispflichten.
Beispiel: Berliner Hundegesetz
- Hunde bestimmter Rassen gelten pauschal als gefährlich.
- Auch nach bestandenem Wesenstest kann weiterhin eine generelle Maulkorbpflicht gelten.
- Für das Halten eines solchen Hundes ist eine behördliche Genehmigung erforderlich.
- Haltung darf nur erfolgen, wenn der Hund jederzeit sicher kontrollierbar ist.
Reale Konsequenzen im Alltag
- Sozialverträgliche Hunde mit bulligem Körperbau werden trotz guten Verhaltens stigmatisiert.
- Halter*innen werden häufig kontrolliert, angezeigt oder öffentlich angefeindet.
- Öffentliche Begegnungssituationen sind emotional aufgeladen – oft unabhängig vom tatsächlichen Verhalten des Hundes.
Systemische Schieflage
Die Regelwerke setzen voraus, dass Verhalten „kontrollierbar“ ist. Dabei wird nicht berücksichtigt:
- Die Individualität des Hundes
- Der Kontext der Reaktion
- Die Qualität der Mensch-Hund-Beziehung
[Ergänzung] GFK-Perspektive
Statt Kontrolle sollte Verbindung im Vordergrund stehen: Eine Haltung, die auf gegenseitigem Vertrauen, Klarheit und Bedürfnisorientierung basiert – statt auf Angst, Kontrolle und Strafe.
Zitat: „Vertrauen ist kein Gesetz – es ist ein Beziehungsangebot.“ – Unbekannt
Fazit und Ausblick
Der Wesenstest ist ein Instrument mit hohem Einfluss – für Hunde, Halter*innen und Gesellschaft. Doch seine Anwendung ist von Unsicherheiten, subjektiven Bewertungen und rechtlicher Uneinheitlichkeit geprägt.
Zentrale Kritikpunkte
- Unklare Standards und fehlende wissenschaftliche Fundierung
- Testbedingungen mit fragwürdiger Belastung für die Hunde
- Stigmatisierung aufgrund von Rasse oder Aussehen
- Mangelnde Schulung und Haltungskompetenz bei Entscheidenden
Was braucht es stattdessen?
- Mehr Sachverstand im Umgang mit Hundeverhalten
- Individuelle Betrachtung statt pauschaler Urteile
- Klare ethische Standards für Gutachter*innen und Behörden
- Aufwertung von präventiver Arbeit mit Hund und Mensch
[Ergänzung] Gewaltfreie Kommunikation als Haltung
Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten – ob im Test, im Alltag oder in der öffentlichen Debatte – erfordert eine Haltung, die auf Verbindung, Empathie und Klarheit basiert. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) bietet hier tragfähige Prinzipien:
- Beobachtung statt Bewertung
- Gefühle und Bedürfnisse erkennen und benennen
- Verantwortung übernehmen für die eigene Kommunikation
- Lösungen kooperativ entwickeln
Ausblick
Wenn der Wesenstest mehr sein soll als ein formaler Härtetest, dann braucht es einen Paradigmenwechsel: weg von Kontrolle und Angst – hin zu Vertrauen, Beziehung und echter Verhaltenskompetenz.
Zitat: „Bevor wir Hunde bewerten, sollten wir lernen, sie zu verstehen.“ – Katharina Marioth
