Apportieren
Apportieren lernen mit ungewohnten Gegenständen
Das gezielte Apportieren ungewohnter Gegenstände ist eine kreative Erweiterung des klassischen Apportiertrainings und fördert neben der Kooperation vor allem die Problemlösekompetenz und Flexibilität des Hundes. Der Trainingsaufbau unterscheidet sich dabei deutlich von der Arbeit mit typischen Bringobjekten wie Dummys oder Bällen.
Interesse wecken
Zunächst wird der Hund behutsam an das neue Objekt herangeführt. Statt einer direkten Konfrontation empfiehlt es sich, mit einem neutralen, ungefährlichen Gegenstand zu beginnen, etwa einem Stück Karton. Durch ein dynamisches Spiel mit dem Objekt (z. B. "Keep Away", Werfen, Weglaufen mit dem Objekt) wird eine positive Erwartungshaltung aufgebaut. Jede Zuwendung des Hundes zum Gegenstand wird mittels Marker und Belohnung verstärkt.
Maulaktivierung
Ziel ist, dass der Hund beginnt, das Objekt von sich aus zu berühren oder ins Maul zu nehmen. Dies kann stufenweise über Annäherung, Berührung mit der Nase bis hin zum vorsichtigen Greifen aufgebaut werden. Sobald der Hund das Objekt aufnimmt, wird das Verhalten klar markiert und belohnt. In der Folge wird das Halten und Tragen des Gegenstands in Bewegung verstärkt. Ein leichter Gegendruck am Objekt kann zusätzlich motivierend wirken.
Tragen und Mitkommen
Hat der Hund gelernt, den Gegenstand im Fang zu halten, wird er eingeladen, sich mit dem Objekt zu bewegen. Hierzu kann der Mensch rückwärtsgehen, während der Hund folgt. Sobald der Hund einige Schritte mit dem Objekt mitgeht, wird dies über Marker und Belohnung verstärkt.
Zielgerichtetes Zurückbringen
Das eigentliche Apportieren umfasst die Verknüpfung von Aufnahme, Bewegung und gezieltem Abgeben. Zwei Möglichkeiten bieten sich an:
- Objekt zum Menschen bringen: Der Hund wird mit dem Nasentarget ("Touch") vertraut gemacht. Während er das Objekt trägt, wird er aufgefordert, den Targetpunkt (Hand, Zielobjekt) anzulaufen. Annäherung und Kontakt werden stufenweise belohnt.
- Objekt in ein Ziel ablegen: Alternativ kann der Hund lernen, das Objekt in ein definiertes Behältnis (z. B. Schüssel, Kiste) zu bringen. Zunächst wird das Ziel positiv aufgeladen, etwa durch Einreiben mit einem Leckerli. Dann werden Annäherungen mit Objekt schrittweise verstärkt, bis der Hund lernt, das Objekt abzulegen.
Variabilität und Generalisierung
Nach dem ersten erfolgreichen Aufbau wird mit verschiedenen Gegenständen geübt: Löffel, Dosen, Schlüssel oder auch Alltagsgegenstände mit unterschiedlichen Gerüchen, Materialien oder Formen. Wichtig ist, dabei stets kleinschrittig vorzugehen und auf Signale der Überforderung zu achten.
Spielerische Einbettung
Verbale Impulse wie "Was ist das?", "Hol das da!", "Bring mir den!" oder "Wo ist der Schlüssel?" können motivierend eingebaut werden. Begeisterung, klarer Marker und unmittelbare Belohnung fördern die emotionale Bindung und machen das Apportieren zu einem kommunikativen Teamspiel.
Besonderheiten
Dieses Training erfordert viel Geduld und ein gutes Timing im Markertraining. Es eignet sich besonders für Hunde, die gerne selbstständig handeln und Freude am Tüfteln zeigen. Die Methode kann nicht nur die kognitive Auslastung fördern, sondern auch gezielt im Alltag helfen (z. B. Gegenstand bringen lassen).
Sanftes Apportieren trainieren
Ein besonders feinmotorisches Verhalten, das für Assistenzhunde, Senioren oder Hunde mit sensibler Maulstruktur relevant sein kann, ist das sanfte Aufnehmen und Tragen von Gegenständen. Dieses Verhalten lässt sich mit einfachen Mitteln gezielt trainieren. Eine bewährte Methode nutzt handelsübliche Plastik-Ostereier, die sich leicht öffnen, wenn zu viel Druck auf sie ausgeübt wird.
Zielsetzung
Der Hund soll lernen, Gegenstände vorsichtig aufzunehmen und im Maul zu halten, ohne sie zu zerdrücken. Das Training ist besonders hilfreich zur Vorbereitung auf das Apportieren empfindlicher Objekte (z. B. Kreditkarten, Medikamente, Postsendungen).
Vorgehensweise
1. Wählen Sie ein Plastik-Osterei, das sich bei festem Druck leicht öffnet.
2. Halten Sie dem Hund das Ei hin und beobachten Sie seine Maulaktivierung.
3. Klick oder Markerwort nur, wenn das Ei nicht aufspringt – das signalisiert einen vorsichtigen Griff.
4. Bleibt das Ei geschlossen, folgt eine Belohnung.
5. Öffnet sich das Ei, gibt es kein Feedback oder Leckerli. Der Hund soll durch Versuch und Irrtum lernen, sanft zuzugreifen.
6. Nutzen Sie eine ruhige Stimme und ggf. statt des Clickers ein sanftes Markerwort (z. B. „Gut“), um erregungsarmes Verhalten zu fördern.
Differenzierung von Signalen
Verwenden Sie ein eigenes Signal für das sanfte Apportieren, z. B. „Nimm vorsichtig“. Dieses sollte sich klar vom Spiel-Apportieren unterscheiden („Hol den Ball“), damit der Hund weiß, wann es auf Geschwindigkeit und wann auf Vorsicht ankommt.
Steigerung
Wenn der Hund das Osterei zuverlässig sanft trägt, können realistischere Gegenstände ins Training eingebaut werden:
- Werbekarten aus dem Briefkasten (statt echter Kreditkarten)
- Leere Medikamentenschachteln
- Leichte Brillenetuis oder Taschentuchpackungen
Später kann auch die Distanz eingebaut werden: Der Hund lernt, das Objekt aus Entfernung aufzunehmen, zu bringen und ggf. in einen Korb oder auf die Hand zu legen.
Sicherheitsaspekte
Dieses Training ist nicht geeignet für Hunde, die Objekte unkontrolliert zerbeißen oder verschlucken. In diesen Fällen sollte zunächst am grundsätzlichen Umgang mit Gegenständen gearbeitet werden.
Bedeutung für Alltag und Assistenz
Ein sanftes Maulgefühl ist nicht nur für Assistenzhunde von Bedeutung, sondern kann auch im Alltag hilfreich sein – etwa wenn der Hund dem Menschen ein heruntergefallenes Objekt bringt oder Post aus dem Briefkasten holt. Es fördert zudem die körperliche und kognitive Kontrolle und ist eine Form von Impulskontrolltraining.
Transfer und Generalisierung
Wird das Verhalten systematisch mit unterschiedlichen Objekten, Orten und Aufgaben kombiniert, kann es generalisiert werden. Ziel ist ein Hund, der bei jedem neuen Gegenstand automatisch sanft zugreift und ihn sicher bringt, ohne ihn zu beschädigen.
