Modelllernen

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Allgemeine Grundlagen des Modelllernens

Grundlagen des Modelllernens

  • Das Beobachten und Nachahmen anderer ist eine grundlegende Fähigkeit, die sowohl Menschen als auch Tiere nutzen, um Verhalten zu erlernen.
  • Modelllernen basiert darauf, dass Verhalten eines Modells beobachtet, gespeichert und reproduziert wird.
  • In der Tierwelt zeigt sich dies beispielsweise durch:
 * Papageien, die Sprache imitieren.
 * Delfine, die Bewegungen anderer übernehmen.
 * Tintenfische, die durch Beobachtung von Artgenossen komplexe Aufgaben lösen.
 * Schimpansen, die Werkzeuge verwenden, nachdem sie andere dabei beobachtet haben.
 * Krähen, die durch Nachahmung innovative Problemlösungen entwickeln.

Voraussetzungen für erfolgreiches Modelllernen

1. Aufmerksamkeit (Attention):

  * Das Modell muss auffällig, kompetent oder attraktiv sein, um die Aufmerksamkeit zu gewinnen.
  * Neue, überraschende oder emotionale Ereignisse erhöhen die Aufmerksamkeit durch Prozesse, die emotionale und motivationale Signale priorisieren.
  * Die Amygdala spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewertung der Relevanz eines Modells.

2. Speicherung (Retention):

  * Informationen werden visuell und verbal repräsentiert und in das Gedächtnis aufgenommen.
  * Hunde können Informationen auf allen Sinnesebenen speichern, insbesondere auf olfaktorischer Ebene.

3. Reproduktion (Reproduction):

  * Verhalten wird entweder direkt umgesetzt oder nach kognitiver Anpassung reproduziert.
  * Die Umsetzung erfordert sowohl motorische Fähigkeiten als auch mentale Kapazität.

4. Motivation (Motivation):

  * Erwartete Belohnungen oder das Vermeiden von Strafen fördern die Nachahmung.
  * Motivation kann durch direkte Verstärkung, Beobachtung oder innere Zufriedenheit ausgelöst werden.

Das Bobo-Doll-Experiment

  • In einem bekannten Experiment beobachteten Kinder, wie Erwachsene aggressives Verhalten an einer Puppe („Bobo Doll“) zeigten.
  • Die Kinder imitierten dieses Verhalten – unabhängig davon, ob es belohnt wurde oder nicht.
  • Schlussfolgerung: Verhalten kann allein durch Beobachtung sozialer Modelle gelernt werden – auch ohne direkte Verstärkung.


Banduras sozialkognitive Theorie

  • Der Behaviorismus wurde durch kognitive und soziale Elemente erweitert.
  • Bandura definierte vier Phasen des Modelllernens:
 1. Aufmerksamkeit: Das Modell muss wahrgenommen werden.
 2. Speicherung: Verhalten wird mental verarbeitet.
 3. Reproduktion: Verhalten wird umgesetzt.
 4. Motivation: Erwartete Konsequenzen beeinflussen die Ausführung.

Erweiterung des klassischen Behaviorismus

  • Klassisches und operantes Konditionieren wurden durch kognitive Prozesse ergänzt.
  • Lernen erfolgt durch Interaktion von Beobachtung, mentaler Verarbeitung und sozialem Kontext.
  • Auch symbolische Modelle (z. B. Figuren in Filmen oder Büchern) können Lernprozesse auslösen.

Praktische Anwendungen

Pädagogik

  • Lehrerinnen und Lehrer agieren als Modelle, deren Verhalten, Haltung und Wissen von Lernenden beobachtet und übernommen wird.
  • Banduras Prinzipien werden in didaktische Konzepte integriert, insbesondere in Gagnés "Instructional Design", das Lernen systematisch strukturiert.

Gagnés acht Stufen der Instruktionsgestaltung: 1. Aufmerksamkeit herstellen: Einsatz überraschender oder emotional ansprechender Elemente zu Beginn.

2. Lernziele vermitteln: Klare Benennung der zu erreichenden Ziele.

3. Vorwissen aktivieren: Verknüpfung mit bereits bekannten Inhalten.

4. Lehrstoff präsentieren: Strukturiert und motivierend aufbereiteter Inhalt.

5. Anleitung zum Lernen geben: Unterstützung durch Erklärungen und Modelle.

6. Ausführung ermöglichen: Anwendung des Gelernten in Übungen oder Aufgaben.

7. Feedback geben: Rückmeldung zur Leistung mit Möglichkeiten zur Korrektur.

8. Transfer und Generalisierung fördern: Anwendung des Gelernten in neuen Situationen.

Hundeerziehung

  • In der Hundeerziehung übernimmt der Mensch bewusst die Rolle eines Modells.
  • Hunde beobachten das Verhalten des Menschen und orientieren sich daran – insbesondere durch nonverbale Signale wie Körperhaltung, Bewegung und Ausstrahlung.
  • Positive Verstärkung verstärkt das freiwillige Nachahmen erwünschten Verhaltens.
  • Durch konsequente Körpersprache und ruhiges, klares Auftreten kann der Mensch das Verhalten des Hundes effektiv und gewaltfrei beeinflussen.
  • Modelllernen eignet sich besonders zur Förderung intrinsisch motivierter Verhaltensweisen und zur Stärkung der Bindung zwischen Mensch und Hund.

Pädagogisch-psychologische Perspektive

Kombination von Theorie und Praxis

  • Albert Bandura, Jerome Bruner und Robert Gagné betonten die Bedeutung der Verbindung theoretischer Konzepte mit praktischer Anwendung.
  • Gagnés Instruktionsdesign integriert Modelllernen in strukturierte Lernprozesse, die kognitive, soziale und emotionale Aspekte berücksichtigen.
  • Die acht Stufen des Instruktionsdesigns fördern gezieltes, nachhaltiges Lernen durch didaktisch geplante Lernumgebungen.

Neuausrichtung der Bildung

  • Der starre, rein behavioristische Ansatz wurde durch dynamischere Modelle ersetzt, die Lernen als aktiven, sozialen und kontextbezogenen Prozess verstehen.
  • Lernen wird heute als ganzheitlicher Vorgang betrachtet, der neben kognitiven auch affektive und soziale Dimensionen einschließt.
  • Der Lernende ist nicht passiver Empfänger, sondern aktiver Konstrukteur von Wissen – mit sozialem Modelllernen als zentrales Element.

Kulturelle und soziale Einflüsse

  • Modelllernen wird durch kulturelle Normen, Werte und Rollenbilder beeinflusst.
  • Verschiedene Kulturen gewichten Modelle unterschiedlich – z. B. Vorbilder innerhalb der Familie, im Bildungssystem oder in Medien.
  • Modelle können reale Personen (Eltern, Lehrkräfte, Trainer), symbolische Figuren (Comics, Filme) oder Gruppen (Peergroups) sein.
  • Soziale Einbettung und emotionale Bindung beeinflussen, welches Modell als relevant wahrgenommen wird.

Lernen am Modell bei Hunden

Lernen am Modell ist eine Form des sozialen Lernens, bei der Hunde durch Beobachtung das Verhalten eines anderen Individuums (z. B. eines Menschen oder eines Artgenossen) übernehmen. Dieses Prinzip spielt eine zentrale Rolle in modernen, gewaltfreien Trainingsansätzen, wie sie etwa in der Gefährtenschmiede vermittelt werden.

Grundlagen

  • Hunde sind soziale Lebewesen mit ausgeprägter Fähigkeit zur nonverbalen Kommunikation.
  • Sie beobachten ihr menschliches Gegenüber sehr genau und erkennen wiederkehrende Muster, Rituale und Haltungen.
  • Modelllernen erfolgt ohne direkte Anweisung – der Hund entscheidet freiwillig, Verhalten zu übernehmen.

Formen des sozialen Lernens

Anwendung im Hundetraining

  • Der Mensch agiert bewusst als Modell – durch Körpersprache, Bewegungsmuster und situatives Verhalten.
  • In der Gefährtenschmiede wird Modelllernen mit Umkehrpsychologie kombiniert.
  • Der Hund erkennt über Ausrüstung (z. B. Halsband vs. Geschirr) und Körpersignale, ob Präzision oder Freiraum erwartet wird.
  • Es erfolgt kein Zwang, sondern eine Einladung zur freiwilligen Kooperation.

Vorteile

  • Förderung der intrinsischen Motivation – der Hund lernt aus eigenem Antrieb.
  • Reduktion von Reaktanz durch Vermeidung direkter Kontrolle.
  • Aufbau einer stabilen, vertrauensvollen Mensch-Hund-Beziehung.
  • Alltagstauglich ohne Kommando- oder Belohnungssystem.

Praxisbeispiel

  • Ein Mensch ändert die Gehrichtung, sobald der Hund vorläuft.
  • Der Hund lernt durch wiederholte Erfahrung, dass er durch Orientierung am Menschen Einfluss auf die Laufrichtung hat.
  • Diese Erkenntnis führt zur freiwilligen Anpassung – ganz ohne Kommando, Strafe oder Leckerli.

Siehe auch

Fazit

  • Modelllernen ist eine zentrale und universelle Lernform, die in Pädagogik, Psychologie und Tiertraining gleichermaßen Anwendung findet.
  • Es beruht auf den Prinzipien der Beobachtung, Nachahmung, mentalen Verarbeitung und Motivation – unabhängig von direkter Verstärkung.
  • Die sozialkognitive Theorie von Bandura hat das Verständnis von Lernen grundlegend erweitert und neue didaktische Konzepte ermöglicht.
  • In der Hundeerziehung eröffnet Modelllernen einen gewaltfreien, beziehungsorientierten Weg zu nachhaltigem Verhaltenstraining.
  • Durch gezielte Vorbildfunktion des Menschen kann der Hund freiwillig gewünschtes Verhalten übernehmen – ohne Kommando, Druck oder Bestechung.
  • Modelllernen fördert nicht nur Verhaltensänderung, sondern auch Vertrauen, Sicherheit und Zusammenarbeit auf Augenhöhe.